Was tun, wenn eine Notfall-OP ansteht?

Was tun, wenn eine Notfall-OP ansteht?

Überwachung der Vitalfunktionen während einer Not-OP beim Tier. Foto: Pixabay.com

Die meisten Haustierbesitzer*innen betrachten ihre Tiere als Familienmitglieder und der Gedanke, dass ihr geliebter Vierbeiner eine Notoperation benötigt, ist für viele ein Albtraum. In solchen kritischen Momenten ist es entscheidend, ein grundlegendes Verständnis darüber zu haben, was eine Notoperation ist, warum sie benötigt wird und wie sie durchgeführt wird. Erfahren Sie in diesem umfassenden Leifaden mehr zu Notoperationen beim Tier.

Notoperationen bei Tieren sind unvorhergesehene chirurgische Eingriffe, die notwendig werden, wenn das Leben des Tieres unmittelbar bedroht ist oder wenn ein Zustand sein Wohlbefinden erheblich beeinträchtigt und nicht auf andere Weise behandelt werden kann.

Ursachen für Notoperationen: Wann sind sie nötig?

Es gibt verschiedene Situationen, die eine Not-OP beim Tier erfordern können. Dazu zählen etwa Folgende:

 

  • Fremdkörper im Magen-Darm-Trakt: Viele Tiere, insbesondere Hunde, aber auch Katzen, neigen dazu, Gegenstände zu verschlucken. Oft sind es junge, unerfahrene Tiere mit ausgeprägtem Spieltrieb, die aufrgund eines verschluckten Fremdkörpers im Notdienst vorgestellt werden. Zu den typischen Fremdkörpern zählen bei Hunden zum Beispiel Spielzeugtiere aus Kunststoff, Kastanien, größere Kerne von Steinobst, Steine oder Stöcke. Leider sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt und nicht selten staunen Tierbesitzer*innen ebenso wie Tierärzt*innen darüber, was Hunde verschlingen können. So gelingt es größeren Hunden durchaus sogar, Gabeln, mehrere Quietschentchen oder auch Bestandteile von Schuhen herunterzuschlingen. Bei Katzen finden sich eher Schnüre, Geschenkbänder oder Wollfäden im Magen-Darm-Trakt. Manche Katzen verschlingen selbst eine am Faden befindliche Nähnadel. Wenn diese Gegenstände den Verdauungstrakt blockieren oder verletzen, kann dies lebensbedrohlich sein. Oft zeigen sich Symptome, wenn der Fremdkörper vom Magen in den Dünndarm gelangt. Je nach Tierart, Alter und Rasse verfügt dieser Darmabschnitt über einen vergleichweise kleinen Durchmesser, sodass der Fremdkörper hier steckenbleibt. Hat das Tier einen spitzen oder scharfkantigen Gegenstand verschlungen, besteht die Gefahr, dass dieser den Magen-Darm-Trakt verletzt oder in andere benachbarte Organe eindringt. In solchen Fällen ist eine Not-OP unumgänglich.

 

  • Torsion oder Verdrehung von Organen: Einige Organe, insbesondere der Magen, können sich beim Tier verdrehen. Ein typischer Notfall ist die Magendrehung (Torsio ventrikuli) beim Hund. Sie kommt vor allem bei Hunden großer Rassen vor. Hat sich das Organ um die eigene Achse gedreht, führt dies zu einer Unterbrechung der Blutversorgung. Nun ist Eile gefordert, denn das Gewebe droht abzusterben. In einer Notoperation lässt sich der Magen zurückverlagern und wird zudem meist zusätzlich in seiner korrekten Lage fixiert, um zu vermeiden, dass sich die Magendrehung wiederholt.

 

  • Blockierte Harnwege: Harnsteine in den Harnleitern, der Blase oder der Harnröhre können den Abfluss des Urins behindern. Es kommt zu einem Rückstau des Urins. Ohne Behandlung sammeln sich Giftstoffe (sogenannte harnpflichtige Stoffe aus dem Stoffwechsel) im Blut an und es kommt zu einer lebensbedrohlichen Harnvergiftung (Urämie).

 

  • Trauma: Unfälle (z. B. im Straßenverkehr), Angriffe von anderen Tieren oder schwere Stürze (z. B. Fensterstürze von Katzen) können zu inneren Verletzungen mit lebensbedrohlichen Blutungen oder Knochenbrüchen führen. Um das Leben des Tieres zu retten, ist eine Notoperation die einzige Chance.

 

  • Geburtskomplikationen: Manchmal treten bei der Geburt Probleme auf, die das Leben von Muttertier und Nachwuchs bedrohen. Möglich ist zum Beispiel, dass ein Jungtier im Geburtskanal stecken bleibt oder die Wehen stagnieren und die Geburt zum Stillstand kommt. Seltener sind Blutungen unter der Geburt der Grund für eine Notoperation, etwa, wenn es zu einem Riss in der Gebärmutter (Uterusruptur) gekommen ist.

Unerlässlich: Diagnostik vor der Operation

Bevor sich die Tierärztin oder der Tierarzt für eine Notoperation entscheidet, ist eine, in der Regel rasche, aber gründliche Untersuchung erforderlich. Dazu können Bluttests, Röntgenaufnahmen, Ultraschall-Untersuchungen oder andere bildgebende Verfahren, wie Computertomografie (CT) oder Magnet-Resonanz-Tomografie (MRT) gehören. Anhand einer Blutprobe lässt sich zum Beispiel einschätzen, ob ein Tier eine innere Blutung aufweist und auch, wie groß der Blutverlust ist. Zur Darstellung von Knochenbrüchen und Fremdkörpern eignen sich Röntgenuntersuchungen und mitunter auch CT- oder MRT-Aufnahmen. Mithilfe der Ultraschall-Untersuchung lassen sich unter anderem innere Blutungen, gestaute Harnleiter oder eine blockierte Harnblase darstellen.

Vorbereitung und Risiken von Notoperationen

Aufgrund der Dringlichkeit der Situation ist eine vollständige präoperative Vorbereitung – wie dies bei einer geplanten OP der Fall wäre – nicht immer gewährleistet. Dies erhöht die Risiken der Narkose und des chirurgischen Eingriffs selbst. Zu den häufigsten Risiken gehören Blutungen, nachfolgende Infektionen und Komplikationen im Zusammenhang mit der Narkose.

Die Notoperation

Eine Not-OP findet unter Vollnarkose statt. Oftmals erfolgt diese in Form einer Inhalationsnarkose, das heißt, das Tier atmet über einen Schlauch (Tubus) in der Luftröhre ein Narkosegas ein. Inhalationsnarkosen haben den Vorteil, dass sich Tiefe und Dauer der Anästhesie meist gut steuern lassen. Während der Narkose erhält das Tier zudem Flüssigkeit über einen Venentropf, um den Kreislauf zu stabilisieren. Zusätzlich ermöglicht der venöse Zugang es auch, Notfallmedikamente oder Bluttransfusionen zu verabreichen, falls dies nötig werden sollte. In der Regel werden die Vitalfunktionen während der gesamten Not-OP durch eine Anästhesistin, einen Anästhesisten oder eine entsprechend ausgebildete Anästhesieassistenz überwacht. Abhängig von der Art der Operation, werden spezielle chirurgische Instrumente und Techniken verwendet, um das Problem zu beheben. Bei einigen Notoperationen kann es erforderlich sein, später einen weiteren Eingriff durchzuführen.

Postoperative Pflege: Wie geht es nach der Not-OP beim Tier weiter?

Je nach Notfall, ist auch nach einer Notoperation die Gefahr noch nicht gebannt, das heißt, es können immer noch lebensbedrohliche Komplikationen auftreten. Um diese sofort zu erkennen und eingreifen zu können, werden die betreffenden Tiere nach der Operation besonders sorgfältig überwacht. Dazu zählen vor allem Herz-Kreislauf-Funktionen und die Atmung. Mitunter werden außerdem in regelmäßigen Abständen Blutproben untersucht. Normalerweise erhält das Tier Schmerzmittel, gegebenenfalls Antibiotika oder andere Medikamente. Um zu verhindern, dass das Tier nach der Operation unterkühlt, bekommt es außerdem Wärme (z. B. mittels einer Wärmelampe). Erwacht das Tier aus der Narkose, ist es wichtig, dass es sich nicht selbst verletzen kann, Verbände abstreift oder die Operationsnaht mit Maul oder Pfoten erreichen kann. Üblicherweise lässt sich dies mithilfe eines Halskragens und einem entsprechenden Wundverband verhindern. In den ersten zwölf Stunden nach der Operation darf das Tier weder Futter noch Wasser aufnehmen. Sobald der Patient nach Hause entlassen werden kann, sollte er an einem sicheren, ruhigen und angenehm temperierten Platz liegen. In der ersten Zeit nach der Operation darf das Tier unter Umständen nur eine angepasste Nahrung erhalten. Wie nach fast allen Operationen, ist in der Erholungsphase zudem körperliche Schonung wichtig, das heißt zum Beispiel, dass das Tier ausschließlich an der Leine geführt muss und Springen, Treppensteigen oder wilde Spiele tabu sind.

Rehabilitation

In einigen Fällen, insbesondere nach unfallchirurgischen Eingriffen beziehungsweise orthopädischen Operationen, kann eine Rehabilitation erforderlich sein. Dies kann Physiotherapie, Wassergymnastik oder spezielle Übungen umfassen.

Kommunikation mit der Tierärztin oder dem Tierarzt

Für Tierbesitzer*innen ist es entscheidend, eng mit ihrer Tierärztin oder ihrem Tierarzt zusammenzuarbeiten und alle Fragen oder Bedenken zu äußern. Bei sehr schwerwiegenden Notfallsituationen ist es außerdem ratsam, gemeinsam abzuwägen, wie sinnvoll eine Not-OP im Einzelfall ist. Stehen die Chancen schlecht, dass das Tier überlebt und sich wieder erholt, kann es sinnvoll sein, dem Tier durch eine Euthanasie Leiden zu ersparen. Hat der Patient die Notoperation erfolgreich überstanden, werden Tierärztin oder Tierarzt Ratschläge zur Pflege des Tieres zu Hause geben und Informationen darüber, wann eine Nachuntersuchung erforderlich ist.

Ein anderer wichtiger Aspekt im Falle einer Not-OP beim Tier sind die Kosten. Natürlich steht in der Notsituation selbst das Überleben des Tieres im Mittelpunkt, die meisten Tierhalter*innen empfinden Angst und Stress und die Tierarztrechnung erscheint in solchen Augenblicken unwichtig. Dennoch ist es ratsam, die Kosten anzusprechen. Mitunter kann das Praxisteam nicht exakt vorhersagen, wie hoch die Kosten tatsächlich sein werden, da sich bei Notfällen oft erst während der Operation zeigt, welche Maßnahmen erforderlich sind. Auch für den Zeitraum der Nachbehandlung lassen sich die Kosten oft schwer vohersehen. Einen groben Kostenrahmen sollte die Tierärztin oder der Tierarzt jedoch abgeben können. Auch empfiehlt es sich im Einzelfall, über mögliche Zahlungsmodalitäten zu sprechen, zum Beispiel, ob die Tierarztpraxis oder Tierklinik auch eine Ratenzahlung akzeptiert. Um sich vor explodierenden Tierarztkosten bei Notfällen zu schützen, ist es ratsam, sich im Vorfeld über eine OP-Versicherung zu erkundigen und diese gegebenenfalls abzuschließen.

Die emotionalen Aspekte

Manche Haustierbesitzer*innen fühlen sich überwältigt oder gar schuldig, wenn das Tier eine Notoperation benötigt. Es ist wichtig, sich daran zu erinnern, dass Unfälle passieren und dass man in solchen Momenten das Beste für sein Tier tut.

Notfällen vorbeugen

Einige Notfälle lassen sich nicht verhindern. Für alle Tierhalter*innen ist es jedoch ratsam, sich sorgfältig zu informieren, durch welche Maßnahmen sie ihr Tier vor Gefahren und Unfällen schützen können.

Fazit

Notoperationen bei Tieren sind sowohl für das Tier, als auch für Besitzer*innen stressige und emotionale Erlebnisse. Ein fundiertes Verständnis der Situation, eine enge Zusammenarbeit mit dem Praxisteam und eine sorgfältige Nachsorge können jedoch dazu beitragen, das Risiko von Komplikationen zu minimieren und die Genesung des Tieres zu unterstützen. Jede Tierbesitzerin und jeder Tierbesitzer kann einmal in die Situation geraten, dass das Haustier eine Notfallversorgung benötigt. Damit nicht die Kosten darüber entscheiden, ob das Tier gerettet werden kann, ist es wichtig, sich frühzeitig über finanzielle Aspekte Gedanken zu machen – am besten bereits, bevor ein Tier ins Haus kommt. Dabei gilt es stets, ein gewisses Budget für die Gesundheitsversorgung des Tieres mit einzuplanen, sich gegebenfalls Reserven hierfür zurückzulegen oder den Abschluss einer Tierkrankenversicherung beziehungsweise OP-Versicherung in Erwägung zu ziehen.

 

Weitere Informationen

Autorin: Pascale Huber, Tierärztin, Redaktionsleitung vetproduction GmbH
Datum: Juli 2023
Quellen:
Kohn, B., Schwarz, G.: Praktikum der Hundeklinik. Thieme, 12. Auflage 2017
Sigrist, N.: Notfallmedizin für Hund und Katze. Thieme, 2. Auflage 2017
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