Definition:
Was ist ein Stelzfuß (Sehnenstelzfuß) beim Pferd?
Ein Stelzfuß (auch Sehnenstelzfuß) ist eine Fehlstellung der Zehenknochen eines oder beider Vorderbeine. Das Pferd kann die Zehengelenke und das Vorderfußwurzel-Gelenk nicht vollständig strecken, da sich die Beugemuskeln oder die Beugesehnen des Beins zu stark zusammenziehen.
Die Zehenknochen sind, von der Seite aus betrachtet, steiler als normal. Der Huf der Pferde wirkt „abgeknickt“. Zum Teil belasten Pferde mit Stelzfuß die Vorderseite des Hufs. Die Fehlstellung kann unterschiedlich stark ausgeprägt sein.
Ein Stelzfuß ist entweder angeboren oder er entsteht im Laufe des Lebens. Abhängig vom Alter der Pferde und den Symptomen, unterscheidet man folgende Erscheinungsformen:
- Einige Fohlen werden mit einem angeborenen Sehnen-Stelzfuß geboren.
- Fohlen zwischen dem ersten und sechsten Lebensmonat können an dem erworbenem Sehnen-Stelzfuß mit Bockhuf erkranken, ebenso wie Jungpferde zwischen dem sechsten und 18. Lebensmonat.
- Erwachsene Pferde erkranken ebenfalls an einem erworbenen Stelzfuß, wobei hier entweder die Sehnen (tendogene Form) oder das Gelenk betroffen sind (arthrogene Form).
Die Therapie richtet sich nach der Form und dem Ausmaß des Stelzfußes.
Ursachen:
Was sind die Ursachen eines Stelzfußes beim Pferd?
Es gibt vier Formen des Stelzfußes. Sie werden durch unterschiedliche Ursachen hervorgerufen und treten in verschiedenen Lebensabschnitten der Pferde auf.
Ursachen für einen angeborenen Sehnenstelzfuß beim Fohlen sind unter anderem:
- Ungünstige Lage des Fohlens in der Gebärmutter
- Ungünstiges Größenverhältnis zwischen Muttertier und Hengst
- Infektiöse Ursachen
- Mineralstoff-Mangel und Vitamin-Mangel der trächtigen Stute
- Missverhältnis zwischen den Muskeln, die das Bein beugen, und denen, die das Bein strecken
- Eine erbliche Ursache wird diskutiert.
Ursachen für einen erworbenen Sehnenstelzfuß des Fohlens mit Bockhuf sind unter anderem:
- Ungeeignete Bodenverhältnisse in den ersten Lebensmonaten, beispielsweise zu weiche Einstreu, zu weicher, matschiger Weideboden oder auch zu harte Weideböden ohne ausreichende Grasdecke
- Zu wenig Bewegung
- Fütterungsfehler, vor allem zu energiereiche und zu eiweißhaltige Nahrung
Ursachen für einen erworbenen Sehnenstelzfuß des Jungpferdes sind unter anderem:
- Fütterungsfehler, vor allem zu energiereiche und zu eiweißhaltige Nahrung
- Ein unausgewogenes Verhältnis an Mineralstoffen und Vitaminen
Ursachen für einen erworbenen Stelzfuß des erwachsenen Pferdes sind unter anderem:
- Tendogene Form: Sehnenscheiden-Entzündungen, durch Unfälle oder chronische Entzündungen
- Arthrogene Form: Gelenkentzündung (Arthritis beim Pferd) oder Gelenkverschleiß (Arthrose beim Pferd)
Symptome:
Wie äußert sich ein Stelzfuß beim Pferd?
Die Symptome eines Stelzfußes beim Pferd hängen von der Schwere der Erkrankung und von der Form des Stelzfußes ab. Bei einem Stelzfuß sind generell die Zehengelenke stärker gebeugt. Die Achse der Zehenknochen ist, von der Seite aus betrachtet, viel steiler gestellt. Es können ein Vorderbein oder beide Vorderbeine des Pferdes betroffen sein.
Beim angeborenen Sehnen-Stelzfuß des Fohlens sind die Symptome oftmals sehr stark ausgeprägt. Die Zehengelenke sind häufig weit nach hinten geknickt. Die Pferde laufen auf der Vorderseite des Fesselträgers. Oftmals versuchen sie, ihr Gewicht auf die Hintergliedmaßen zu verlagern. Einige Fohlen mit Stelzfuß können gar nicht laufen.
Bei Fohlen, die unter einem erworbenen Sehnen-Stelzfuß leiden, ist die Zehenachse stärker als normal nach vorne gewinkelt – je nach Schweregrad hat die vordere Zehenwand einen Winkel von über 60 oder über 90 Grad. Jungpferde und erwachsene Pferde mit einem erworbenen Sehnen-Stelzfuß zeigen ein Überköten einer oder beider Vordergliedmaßen – das Fesselgelenk ist weiter gebeugt als normal.
Diagnose:
Wie wird ein Stelzfuß beim Pferd diagnostiziert?
Tierärztinnen und Tierärzte diagnostizieren einen Stelzfuß beim Pferd anhand der typischen Stellungsänderung der Vorderbeine. Abhängig vom Alter können verschiedene Ursachen die Erkrankung auslösen. Beantworten Sie daher zunächst einige Fragen zur Vorgeschichte Ihres Pferdes und ob beispielsweise andere Fohlen ähnliche Symptome zeigen.
Das Pferd wird gründlich tierärztlich untersucht und dabei auf Anomalien der Gliedmaßen oder Hinweise auf Entzündungen und Brüche geachtet. Oftmals ist beim Verdacht auf einen Stelzfuß eine Röntgen-Untersuchung sinnvoll. Besonders bei älteren Pferden ist ein Röntgenbild hilfreich, um herauszufinden, ob der Stelzfuß auf eine Erkrankung der Sehnen (tendogene Form) oder der Gelenke (arthrogene Form) zurückzuführen ist.
Behandlung:
Wie kann ein Stelzfuß beim Pferd behandelt werden?
Die verschiedenen Formen des Stelzfußes beim Pferd erfordern eine unterschiedliche Behandlung. Ein Fohlen mit angeborenen Sehnen-Stelzfuß erhält zunächst häufig Vitamine und Mineralstoffe. Die betroffenen Vorderbeine werden mit einer Schiene oder Hufschuhen versorgt. Ein Verband um die Beine hilft, Entzündungen und Verletzungen zu vermeiden. Häufig sind auch orthopädische Maßnahmen, wie das Kürzen der Trachten, hilfreich.
In manchen Fällen verabreicht die Tierärztin oder der Tierarzt einem Fohlen mit angeborenen Sehnen-Stelzfuß Oxytocin. Dieses Medikament fördert die Entspannung bestimmter Muskeln und kann so das Bein aus der Beugehaltung bringen. In einigen Fällen ist es notwendig, das Bein des Pferdes zu operieren. Dabei wird das sogenannte Unterstützungsband der Muskeln, die das Bein beugen, durchtrennt.
Bei etwas älteren Fohlen mit einem erworbenen Sehnen-Stelzfuß ist eine Haltungsoptimierung wichtig: Das Fohlen wird anders beschlagen, mehrmals am Tag auf festem Boden bewegt und die Fütterung den Bedürfnissen des Pferdes angepasst. Manchmal erhält das Pferd zusätzlich Schmerzmittel und entzündungshemmende Medikamente. Auch hier kann eine Operation in schweren Fällen nötig sein.
Bei Jungpferden mit erworbenem Sehnen-Stelzfuß ist die Therapie ähnlich: Auch hier steht die Optimierung der Bewegung, der Fütterung, des Beschlags und der Haltung des Pferdes im Vordergrund. Zusätzlich können Schmerzmittel und entzündungshemmende Medikamente, sowie in schweren Fällen, eine Operation notwendig sein.
Den erworbenen Stelzfuß des erwachsenen Pferdes behandeln Tierärztinnen und Tierärzte entsprechend der auslösenden Ursache. Der Stelzfuß kann zum einen durch eine Erkrankung der Sehnen oder der Gelenke hervorgerufen sein. Ist eine Sehnenerkrankung ursächlich, hilft oft ein orthopädischer Beschlag. Auch eine Operation kann notwendig sein – dabei wird die Sehne des tiefen Beugemuskels (Tenotomie des Musculus flexor digitalis profundus) durchtrennt.
Bei einem Stelzfuß, der durch eine Gelenkerkrankung (z.B. Arthritis oder Arthrose beim Pferd) hervorgerufen wird, ist eine ursächliche Heilung in der Regel nicht möglich. Um die Beschwerden des Pferdes zu lindern, bekommt das Pferd Schmerzmittel und entzündungshemmende Medikamente. Unter Umständen ist eine Operation, bei der die Nerven (Neurektomie) durchtrennt werden, zur Schmerzlinderung hilfreich.
Prognose:
Wie ist die Prognose eines Stelzfußes beim Pferd?
Die Prognose eines Stelzfußes beim Pferd hängt stark vom Ausmaß und von der Form der Erkrankung ab. Grundsätzlich gilt: Je früher die Ursache erkannt und behandelt wird und je schwächer der Stelzfuß ausgeprägt ist, desto besser ist die Prognose.
Ein angeborener Sehnen-Stelzfuß beim Fohlen hat eine gute Aussicht auf Heilung, wenn er frühzeitig erkannt und behandelt wird. Die Prognose verschlechtert sich, wenn Komplikationen auftreten, zum Beispiel entzündete Liegestellen (Dekubitus).
Ein Fohlen mit einem erworbenen Sehnen-Stelzfuß hat eine gute Chance auf Heilung. Je älter die Tiere werden, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie ganz genesen. Jungpferde mit erworbenem Sehnen-Stelzfuß haben daher eine schlechtere Prognose als Fohlen.
Die Prognose beim erworbenen Stelzfuß des erwachsenen Pferdes ist ebenfalls relativ ungünstig: Die Pferde können meist nur sehr eingeschränkt belastet werden. Dabei hat eine Sehnenerkrankung als Ursache des Stelzfußes eine etwas bessere Prognose als eine Gelenkerkrankung.
Vorbeugen:
Wie kann man einem Stelzfuß beim Pferd vorbeugen?
Einem Stelzfuß beim Pferd lässt sich nur bedingt vorbeugen. Einen angeborenen Sehnen-Stelzfuß beim Fohlen können Sie bereits vorgeburtlich versuchen zu verhindern, indem Sie ein geeignetes Größenverhältnis zwischen der Mutterstute und dem Hengst wählen. Auch ist es ratsam, die trächtige Stute ausreichend mit Mineralstoffen und Vitaminen zu versorgen. Da der Stelzfuß möglicherweise eine erbliche Ursache hat, ist davon abzuraten, mit Tieren zu züchten, die an einem Stelzfuß erkrankt sind oder waren.
Einem erworbenen Sehnen-Stelzfuß des Fohlens lässt sich durch eine optimale Haltung vorbeugen. Genügend Bewegung bei nicht zu energiereicher und zu eiweißhaltiger Ernährung fördert das gesunde Wachstum von Knochen, Muskeln und Sehnen.
Des Weiteren ist es ratsam, auf geeignete Bodenverhältnisse zu achten: Oftmals ist zu weiche Einstreu oder zu weicher, matschiger Weideboden für die Fohlen problematisch. Aber auch zu harte Weideböden ohne eine ausreichende Grasdecke belasten die Fohlen.
Um einem erworbenen Sehnen-Stelzfuß beim Jungpferd vorzubeugen, ist es empfehlenswert, entsprechend der Belastung dem Pferd nicht zu energiereiche und zu eiweißhaltige Nahrung sowie ein ausgewogenes Verhältnis an Mineralstoffen und Vitaminen anzubieten.
Dem erworbenen Stelzfuß des erwachsenen Pferdes vorzubeugen, ist nur sehr bedingt möglich. Es ist ratsam, ein Pferd angemessen und seinem Alter entsprechend zu belasten und zu füttern, nicht einseitig zu bewegen und zu überanstrengen, da dies die Gelenke belastet.
Regelmäßige Bewegung hingegen fördert die Gesundheit der Gelenke und der Muskulatur. Pferde sind Lauftiere – viel Freibewegung tut ihnen gut, vor allem auch auf Weiden und Wiesen. Ein guter Beschlag sorgt für die richtige Belastung der Hufe. Vor allem Pferde mit Bein- und Huffehlstellungen benötigen angepasste Beschläge.
Wann zum Tierarzt?
Muss ein Pferd mit einem Stelzfuß zum Tierarzt?
Es ist ratsam, ein Pferd mit Veränderungen der Gelenke und Fehlstellungen der Beine möglichst schnell einer Tierärztin oder einem Tierarzt vorzustellen. Neben einem Stelzfuß können andere, behandlungsbedürftige Erkrankungen hinter den Symptomen stecken. Eine schnelle Diagnose und Therapie verbessern die Prognose für Ihr Pferd.
Weiterführende Informationen
Autor: Dr. med. vet. Iris Kiesewetter
Datum der letzten Aktualisierung: Dezember 2022
Quellen:
Fritz, C.: Zivilisationskrankheiten des Pferdes. Thieme, 2020
Daubenmerkl, W.: Tierkrankheiten und ihre Behandlung. Hund, Katze, Pferd, Schwein, Rind. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2019
Brehm, W. et al.: Handbuch Pferdepraxis. Enke, Stuttgart 2016
Mülling, Chr. et al.: Atlas der Anatomie des Pferdes. Schlütersche 2013
Wintzer, H.-J.: Krankheiten des Pferdes: Ein Leitfaden für Studium und Praxis. Parey, Berlin 1999