Kieferfehlstellungen beim Pferd

Kieferfehlstellungen beim Pferd

Pferdekopf
Der Überbiss und der Unterbiss sind häufige Kieferfehlstellungen bei Pferden. Foto: vetproduction

Definition:

Was sind Kieferfehlstellungen beim Pferd?

Ähnlich wie beim Menschen, kann auch der Kiefer eines Pferdes Fehlstellungen aufweisen. Häufige Kieferfehlstellungen bei Pferden sind:

  • der Überbiss (Brachygnathia inferior, Karpfengebiss) und der
  • der Unterbiss (Brachygnathia superior, Hechtgebiss).

Beim Unterbiss der Unterkiefer des Pferdes länger als der Oberkiefer, beim Überbiss ist es umgekehrt. Abmessungen des Schädels geben Aufschluss darüber, ob zum Beispiel bei einem Unterbiss der Unterkiefer zu lang oder ob der Oberkiefer zu kurz gewachsen ist. Überbisse sind bei Pferden häufiger als Unterbisse.

Ursachen:

Was sind die Ursachen für Kieferfehlstellungen beim Pferd?

Kieferfehlstellungen treten zum Beispiel bei Nachkommen von Pferden mit unterschiedlichen Kopfformen auf, zum Beispiel bei Kreuzungen aus unterschiedlichen Pferderassen.

Bei Fohlen, die mit einer leichten Kieferfehlstellung zur Welt kommen, verstärkt sich diese unbehandelt mit der Zeit. Der Grund: Normalerweise stehen die oberen und unteren Zähne des Pferdes in bestimmter Art und Weise aufeinander, sodass sie sich mit der Zeit abnutzen, wenn das Pferd Futter aufnimmt und zermahlt. Pferdezähne wachsen daher stetig ein wenig nach.

Hat ein Fohlen aber beispielsweise einen Überbiss, so können die oberen Schneidezähne unkontrolliert wachsen, da sie sich nicht an den unteren abnutzen. Dies zieht weitere Fehlstellungen nach sich.

Dadurch, dass zudem die unteren Schneidezähne beim Mahlen an den oberen Kiefer stoßen, kommt es langfristig zu weiteren Kieferverformungen. Bei einem Unterbiss verhält es sich entsprechend umgekehrt.

Symptome:

Wie äußern sich Kieferfehlstellungen beim Pferd?

Eine Kieferfehlstellung äußert sich hauptsächlich durch eine Veränderung der betroffenen Schneidezähne. Diese werden bei fehlerhaftem Abrieb zu lang. Die Folgen sind weitere Veränderungen an Kiefer und Zähnen.

Manchmal nutzen sich die Zähne auch teilweise ab – zum Beispiel dann, wenn sich die oberen und unteren Zähne zwar noch berühren, jedoch nicht passend zueinander stehen. Durch diesen fehlerhaften Abrieb entstehen sogenannte Zahnspitzen und Kanten, die beispielsweise die Schleimhäute im Maul verletzen.

Bei zu langen Schneidezähnen kann das betroffene Pferd kein Futter mehr aufnehmen. Magen-Darm-Störungen sind die Folge und das Pferd verliert an Gewicht.

Diagnose:

Wie werden Kieferfehlstellungen beim Pferd diagnostiziert?

Eine Tierärztin oder ein Tierarzt erkennt eine Kieferfehlstellung beim Pferd durch eine genaue Untersuchung des Kiefers und der Maulhöhle. Spezielle Spreizinstrumente halten dazu das Maul des Pferdes offen.

Eine Röntgen-Untersuchung gibt Aufschluss darüber, ob und wie stark der Kiefer bereits geschädigt ist. Durch spezielle Abmessungen des Schädels lässt sich ermitteln, ob ein Kiefer zu viel oder zu wenig gewachsen ist. In einigen Fällen ist es notwendig, dem Pferd für die Untersuchung eine Beruhigungsspritze oder eine kurze Narkose zu verabreichen.

Manchmal treten Kieferfehlstellungen im Zusammenhang mit anderen Missbildungen auf. Die Tierärztin bzw. der Tierarzt untersucht das Pferd daher auch auf seinen Allgemeinzustand hin und erkundigt sich nach der Abstammung des Tieres.

Behandlung:

Wie können Kieferfehlstellungen beim Pferd behandelt werden?

Die Behandlung einer Kieferfehlstellung richtet sich unter anderem danach, wie stark sich die Fehlstellung auf das Fressverhalten und den Gesundheitszustand des Pferdes auswirkt. Bei einem leichten Überbiss oder Unterbiss reicht es vielfach bereits, die betroffenen Zähne regelmäßig abzuschleifen.

Mögliche Zahnspitzen, Kanten oder Ähnliches sollten entfernt, wunde Stellen in der Maulhöhle entsprechend behandelt werden. Leidet das Pferd unter einer schweren Kieferfehlstellung, ist es gegebenenfalls notwendig, die Schneidezähne zu ziehen.

Da sich bei einem Fohlen der Kiefer noch im Wachstum befindet, lassen sich Kieferfehlstellungen hier unter Umständen mithilfe von kieferorthopädischen Geräten, Drähten oder Zugbändern erfolgreich behandeln. So lässt sich beispielsweise bei einem Überbiss das Wachstum des Oberkiefers stoppen, sofern dieser zu stark gewachsen ist.

Prognose:

Wie ist die Prognose von Kieferfehlstellungen beim Pferd?

Wird eine Kieferfehlstellung so früh wie möglich nach der Geburt des Fohlens erkannt und kieferchirurgisch behandelt, stehen die Chancen gut, dass sie nicht fortschreitet.

Ist das Pferd beziehungsweise der Kiefer bereits ausgewachsen, gestaltet sich die Behandlung schwieriger.

Des Weiteren hängt die Prognose vom Schweregrad der Kieferfehlstellung ab. In schweren Fällen kann das betroffene Pferd kein Futter mehr aufnehmen und magert ab.

Vorbeugen:

Wie kann man Kieferfehlstellungen beim Pferd vorbeugen?

Kieferfehlstellungen beim Pferd sind in der Regel angeboren. Werden sie frühzeitig, also möglichst im Fohlenalter, erkannt, lässt sich mit einer kieferchirurgischen Behandlung weiteren Schäden vorbeugen.

Wann zum Tierarzt?

Muss ein Pferd mit einer Kieferfehlstellung zum Tierarzt?

Durch eine Kieferfehlstellung verformen sich das Gebiss und die Kieferknochen der Pferde häufig weiter, wenn keine Behandlung erfolgt.

Zudem führen Zahnspitzen und Kanten, die infolge fehlerhaft abgenutzter Zähne entstehen, möglicherweise zu Verletzungen der Schleimhäute im Maul des Pferdes.

Schmerzen und Probleme bei der Futteraufnahme sind die Folgen. Aus diesen Gründen sollten Pferde mit einer Kieferfehlstellung frühzeitig sowie regelmäßig tierärztlich untersucht und behandelt werden.

Weiterführende Informationen

Autor: Dipl.-Biol. Ulrike Ibold
Tierärztliche Qualitätssicherung: Dr. med. vet. Michael Koch
Datum der letzten Aktualisierung: Februar 2022

Quellen:
Fritz, C.: Zivilisationskrankheiten des Pferdes. Thieme, 2020
Daubenmerkl, W.: Tierkrankheiten und ihre Behandlung. Hund, Katze, Pferd, Schwein, Rind. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2019
Brehm, W. et al.: Handbuch Pferdepraxis. Enke, Stuttgart 2016
Mülling, Chr. et al.: Atlas der Anatomie des Pferdes. Schlütersche 2013
Vogt, C.: Lehrbuch der Zahnheilkunde beim Pferd. Schattauer 2011
Baker, G. et al.: Zahnheilkunde in der Pferdepraxis. Schlütersche 2007