Darmverlagerung beim Pferd

Darmverlagerung beim Pferd

Pferd wälzt sich
Bei einer Darmverdrehung sind die Pferde häufig unruhig und wälzen sich auf dem Boden. Foto: vetproduction

Definition:

Bei einer Darmverlagerung liegt der Darm des Pferdes in einer anderen Position als normal vorgesehen. Der Darm ist im Bauch des Pferdes durch Haltebänder in seiner Position fixiert. Manche Haltebänder sind sehr lang, und im ungünstigsten Fall kommt es vor, dass der Darm sich dreht oder verlagert. Dadurch kann der Darm so zusammengedrückt sein, dass er den Nahrungsbrei nicht weiter transportiert und die Durchblutung gestört ist.

Der Nahrungsbrei beginnt dann zu gären, es entstehen Gase, die nicht abtransportiert werden können und der Darm bläht sich auf. Dadurch wird der Darm noch schlechter mit Blut versorgt und stirbt ab. Bei der Darmverlagerung können Giftstoffe durch die Darmwand treten und das Pferd bekommt starke Kreislaufprobleme.

Ein Pferd mit einer Darmverlagerung hat Schmerzen und zeigt Anzeichen einer Kolik. Eine Darmverlagerung ist lebensbedrohlich für das Pferd. Es ist ratsam, schnellstmöglich eine Tierärztin oder einen Tierarzt zu Rate zu ziehen. In vielen Fällen ist es sogar notwendig, das Pferd zu operieren. Eine Operation innerhalb der ersten acht Stunden nach dem ersten Auftreten der Symptome verbessert die Prognose.

Ursachen:

Was sind die Ursachen einer Darmverlagerung beim Pferd?

Die Ursachen für eine Darmverlagerung sind bislang nicht vollständig geklärt. Der Darm ist durch Haltebänder im Bauch befestigt. Im ungünstigsten Fall kommt es vor, dass der Darm sich dreht, sich verlagert oder gar um seine eigene Achse dreht. Auch klemmen sich Darmanteile in Spalten und Lücken zwischen den Organen ein.

Die wichtigsten Ursachen für eine Darmverlagerung beim Pferd sind:

  • Gekröseverdrehung des Dünndarms (Volvulus): Der Dünndarm ist im Bauch des Pferdes am sogenannten Gekröse aufgehängt. Ist der Darm stark gefüllt und gasig, ist es möglich, dass er sich um sein eigenes Gekröse dreht. Dadurch verknoten sich die Darm- und Gekröseanteile.
  • Blinddarm-Abknickung: Der Blinddarm-Körper knickt sich ab, dadurch bildet sich rasch mehr Gas und der Blinddarm gast auf. Die Abknickung kommt in geringem Maße auch bei den normalen Verdauungsvorgängen vor. Ist der Blinddarm aber stärker gefüllt, kann die Darmverlagerung größere Ausmaße annehmen und den Transport der Nahrung verhindern.
  • Längsachsen-Drehung des Dickdarms: Der Dickdarm des Pferdes ist sehr groß und liegt in zwei U-förmigen Lagen übereinander. Bei einer Längsdrehung des Dickdarms drehen sich diese beiden Lagen umeinander. Wie stark sie sich drehen und in welche Richtung, kann variieren. Eine Längsachsen-Drehung kommt häufiger bei Stuten als bei männlichen Pferden vor (Verhältnis 3:1). Als mögliche Ursachen diskutieren Tiermediziner verschiedene Faktoren: Meist treten Darmbewegungsstörungen oder Verstopfungen beim Pferd auf – man nimmt an, dass sich dadurch die Darmschlingen gegeneinander verschieben. Die Darmschlingen, die mit Gas gefüllt sind, steigen nach oben, während die wasser- und futtergefüllten Anteile absinken. Auch Blähungen beim Pferd, Krämpfe, Fehlgärungen und Fremdkörper werden als Ursachen für diese Darmverlagerung diskutiert. Eine Längsachsen-Drehung tritt häufig bei Zuchtstuten auf – man vermutet, dass diese einen geräumigen Bauch haben, der Drehungen begünstigt. Häufig erkranken die Pferde an einer Darmverlagerung, wenn sie im Frühjahr vom Stall auf die Weide ausgetrieben werden.
  • Darmeinschiebungen (Invagination): Ein Darmanteil schiebt sich in den davor liegenden Darm ein. Häufig ist die Ursache hierfür eine erhöhte Darmbewegung, wie sie beispielsweise bei Durchfall beim Pferd oder bei einem Befall mit Parasiten beobachtet wird.
  • Innere Hernien: Darmanteile klemmen sich in Spalten und Lücken im Bauch des Pferdes ein, die durch Verletzungen und Erkrankungen entstanden sind (erworbene Bruchpforten), oder die schon von Geburt an vorhanden sind (angeborene Bruchpforten). Meist rutschen Teile des Dünndarms in diese Spalten und werden eingeklemmt. Im schlimmsten Fall wird der Darm komplett abgeklemmt und es entsteht ein Darmverschluss.

Bei jeder Darmverlagerung des Pferdes ist die Darmbewegung gestört. Der Darm ist eingeschnürt und der Futterbrei kann nicht mehr richtig weitertransportiert werden.

Oftmals entsteht als Folge zusätzlich eine Magenüberladung beim Pferd. Die Blutgefäße werden zusammengedrückt und können den Darm nicht mehr ausreichend mit Blut versorgen. Das Blut staut sich an, die Darmwand wird geschädigt und verdickt sich.

Aus dem Darm und den Blutgefäßen tritt Flüssigkeit in den Bauchraum aus – das Pferd erleidet einen Flüssigkeitsverlust, da die Flüssigkeit dem Kreislauf nicht mehr zur Verfügung steht. Durch den Darm gelangen Bakterien und Giftstoffe in das Blut. Im schlimmsten Fall führt dies zum Tod des Tieres.

Symptome:

Wie äußert sich eine Darmverlagerung beim Pferd?

Eine Darmverlagerung äußert sich durch Koliken beim Pferd. Das Pferd hat Schmerzen und ist unruhig. Wie stark die Tiere Symptome zeigen, lässt nicht immer auf das Ausmaß der Darmverlagerung rückschließen: Starke Darmverlagerungen können auch wenig schmerzhaft sein und umgekehrt. Zeigt ein Pferd Anzeichen einer Kolik, ist es in jedem Fall notwendig, eine Tierärztin oder einen Tierarzt zur weiteren Abklärung und Behandlung zu Rate zu ziehen. Eine Darmverlagerung beim Pferd ist ein lebensbedrohlicher Notfall.

Bei einer Darmverdrehung scharren die Pferde häufig mit den Hufen, sind unruhig und schwitzen. Einige werfen sich auf den Boden und wälzen sich hin und her. Manche stehen auf und werfen sich direkt wieder auf den Boden. Diese Situation kann auch für die Besitzerin oder den Besitzer gefährlich werden, da die Pferde durch ihre Schmerzen oft so abgelenkt sind, dass sie sich ohne Rücksicht auf den Boden fallen lassen.

Oftmals fällt auf, dass das Pferd sich nach seinem Bauch umdreht – dies ist auch ein Zeichen für Schmerzen. Andere Pferde sind eher ruhig und strecken den Kopf nach vorne. Meist verweigern sie das Futter. Manchmal kann man den Darm des Pferdes stärker hören, da die Geräusche lauter sind als gewöhnlich.

Des Weiteren kann der Kreislauf des Pferdes durch die Darmverdrehung stark beeinträchtigt sein. Das Pferd schwitzt, sein Puls wird schneller und es atmet flacher und schneller. Die Schleimhäute des Pferdes ändern ihre Farbe. Die Maulschleimhaut wird blass bis weißlich oder dunkelrot.

Manchmal nimmt das Pferd bei einer Darmverlagerung ungewöhnliche Körperpositionen beim Versuch, dem Schmerz entgegenzuwirken, ein. Zum Beispiel setzt es sich auf die Hinterbeine (hundesitzartige Stellung), bleibt auf dem Rücken liegen oder drückt den Rücken durch (sägebockähnliche Stellung).

Diagnose:

Wie wird eine Darmverlagerung beim Pferd diagnostiziert?

Tierärztinnen und Tierärzte diagnostizieren eine Darmverlagerung beim Pferd durch verschiedene Untersuchungen. Zunächst stellt der Tierarzt einige Fragen, zum Beispiel wie das Pferd gehalten und gefüttert wird und wann die ersten Symptome auftraten. Dann schaut er sich das Pferd genauer an. Hierbei kann es je nach Symptomen notwendig sein, das Pferd mit einer Beruhigungsspritze zu sedieren. Leiden die Pferde unter einer starken Kolik, werfen sie sich häufig ohne Rücksicht auf den Boden und wälzen sich verzweifelt hin und her. Dies kann für das Pferd und alle Beteiligten sehr gefährlich sein.

Der Tierarzt untersucht das Pferd beim Verdacht auf eine Darmverlagerung gründlich. Besonders achtet er hierbei auf die Temperatur, den Puls und die Atemfrequenz – mit ihrer Hilfe lässt sich einschätzen, wie ernst die Lage ist. Auch überprüft er die Farbe der Schleimhäute und die Darmgeräusche des Pferdes. Manchmal schiebt er dem Pferd eine Nasen-Schlund-Sonde. Hierdurch lässt sich beurteilen, ob im Magen Flüssigkeit und Mageninhalt angestaut sind und er kann den Magen, falls notwendig, entleeren.

Häufig führt der Tierarzt beim Verdacht auf eine Darmverlagerung eine rektale Untersuchung durch: Er führt seinen Arm in den Enddarm des Pferdes ein und beurteilt die Darmanteile und inneren Organe, die er so erreichen kann. In einigen Fällen wird dem Pferd Blut entnommen. Vor allem interessiert hier der sogenannte Hämatokrit-Wert (Anzahl der Blutzellen, vor allem der roten Blutkörperchen). In einigen Fällen wird der Bauch des Pferdes mit einer Kanüle punktiert – durch den Darmverschluss hat sich hier Flüssigkeit angesammelt.

Durch diese Untersuchungen lässt sich häufig bereits eine Darmdrehung beim Pferd diagnostizieren. Oftmals ist schnelles Handeln geboten und die Tierärztin bzw. der Tierarzt überweist das Pferd für eine Operation in eine nahe gelegene Tierklinik.

Behandlung:

Wie kann eine Darmverlagerung beim Pferd behandelt werden?

Wie eine Darmverlagerung beim Pferd behandelt wird, hängt von den Untersuchungsergebnissen ab. In leichten Fällen ist es möglich, durch Medikamente (Schmerzmittel, Infusionen, krampflösende Medikamente und abführende Mittel wie Paraffinöl), die Ursache für die Darmverlagerung zu beseitigen. Es kann hilfreich sein, das Pferd vorsichtig zu führen. Liegt eine Blinddarm-Abknickung vor, so punktiert die Tierärztin oder der Tierarzt oftmals den Blinddarm, wenn dieser stark mit Gas angefüllt ist.

In vielen Fällen sind die Symptome bei einer Darmverlagerung sehr stark ausgeprägt und häufig ist eine Operation notwendig. Die Tierärztin oder der Tierarzt vor Ort überweist das Pferd in eine nahe gelegene Tierklinik. Um den Kreislauf des Pferdes zu stabilisieren, erhält das Pferd Infusionen sowie Medikamente (z.B. Antibiotika, Schmerzmittel und entzündungslindernde Mittel).

Während der Operation einer Darmverlagerung verbringen die Tierärztinnen und Tierärzte die verlagerten Darmabschnitte wieder in ihre vorgesehene Position. Sie entleeren die Darmabschnitte, die mit Nahrungsbrei und Gas angefüllt sind. Manchmal sind Darmabschnitte so stark geschädigt, dass sie entfernt werden müssen. Die Darmstümpfe werden dann miteinander vernäht. Sind große Anteile des Darms geschädigt, kann es notwendig sein, das Pferd einzuschläfern, da keine Heilung mehr möglich ist.

Prognose:

Wie ist die Prognose einer Darmverlagerung beim Pferd?

Die Prognose einer Darmverlagerung beim Pferd hängt stark von der Ursache und der Stärke der Erkrankung ab. Leichte Darmverlagerungen sind häufig gut durch Medikamente behandelbar. Bei schweren Darmverlagerungen ist die Prognose umso besser, je früher die Pferde operiert werden. Sind bereits große Anteile des Darms geschädigt, verschlechtert sich die Prognose.

Vorbeugen:

Wie kann man einer Darmverlagerung beim Pferd vorbeugen?

Einer Darmverlagerung beim Pferd lässt sich nur bedingt vorbeugen. Es ist ratsam, die Pferde artgerecht zu füttern, regelmäßig zu entwurmen und ihnen ausreichend Bewegung anzubieten.

Es ist bekannt, dass vor allem Zuchtstuten zu einer Drehung des Dickdarms neigen, wenn sie nach dem Winter auf die Weide kommen. Achten Sie daher darauf, sie in dieser risikoreichen Phase mit genügend Heu und Stroh zu füttern, damit die Futterumstellung nicht so abrupt erfolgt.

Wann zum Tierarzt?

Muss ein Pferd mit einer Darmverlagerung zum Tierarzt?

Ein Pferd mit einer Darmverlagerung zeigt Symptome einer Kolik. Es fühlt sich unwohl, hat Schmerzen und sein Kreislauf ist beeinträchtigt. Es ist unbedingt notwendig, schnellstmöglich eine Tierärztin oder einen Tierarzt zu Rate zu ziehen, da eine Darmverlagerung beim Pferd ein lebensbedrohlicher Notfall ist. Je früher die Erkrankung diagnostiziert und behandelt wird, desto besser ist die Prognose für das Pferd.

Weiterführende Informationen

Autor: Dr. med. vet. Iris Kiesewetter
Datum der letzten Aktualisierung: Februar 2022
Quellen:
Fritz, C.: Zivilisationskrankheiten des Pferdes. Thieme, 2020
Daubenmerkl, W.: Tierkrankheiten und ihre Behandlung. Hund, Katze, Pferd, Schwein, Rind. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2019
Gehlen, H. et al.: Differenzialdiagnosen Innere Medizin beim Pferd. Enke 2017
Brehm, W. et al.: Handbuch Pferdepraxis. Enke, Stuttgart 2016
Wintzer, H.-J.: Krankheiten des Pferdes: Ein Leitfaden für Studium und Praxis. Parey, Berlin 1999