Kieferabszess beim Kaninchen

Kieferabszess beim Kaninchen

Kaninchen beim Tierarzt
Zur Diagnose eines Kieferabszesses wird der Maulraum des Kaninchens gründlich untersucht. Foto: vetproduction

Definition:

Was ist ein Kieferabszess beim Kaninchen?

Ein Kieferabszess ist eine Entzündung, die häufig auf Zahnkrankheiten beim Kaninchen zurückgeht. Es handelt sich um eitrig entzündetes Gewebe im Maulraum beziehungsweise Kiefer, das von derbem Gewebe (Abszess-Kapsel) umgeben ist.

Solche Entzündungen können entstehen, wenn Bakterien aus der Nahrung in Hohlräume zwischen Zahn und Zahnfleisch (Zahntaschen) eindringen, etwa bei locker sitzenden Zähnen aufgrund von Zahnfehlstellungen des Kaninchens. Oftmals verursacht auch ein fehlerhaftes Zahnwachstum diese Abszesse – die Zähne wachsen statt in die Maulhöhle in Richtung des Kieferknochens ein.

Ursachen:

Welche Ursachen hat ein Kieferabszess beim Kaninchen?

Ein Kieferabszess kann ganz unterschiedliche Ursachen haben. In den meisten Fällen verursachen Zahnprobleme, wie zu lange oder falsch wachsende Zähne, einen Kieferabszess. Erhält das Kaninchen faserarmes Futter, schilfern sich die Zähne nicht genügend ab und werden schließlich zu lang. Dadurch ist der Biss nicht optimal.

Oftmals liegen auch angeborene Zahnfehlstellungen vor, die nicht unbedingt durch die Fütterung zu beeinflussen sind. Aufgrund der falschen Belastung beim Beißen lockern sich die Zähne und wachsen zum Teil nicht mehr nur nach oben in die Maulhöhle, sondern auch nach unten in den Kiefer. Durch die lockeren Zähne und durch die schlechte Zahnqualität siedeln sich Bakterien viel leichter an und führen zu Abszessen.

Die eigentlichen Ursachen eines Kieferabszesses sind bestimmte Bakterien, die sich im Gewebe vermehren. Sie nisten sich vor allem in den Zahntaschen und Zahnwurzeln ein und sondern bestimmte Stoffe ab, die das Gewebe auflösen. Das Abwehrsystem des Kaninchens reagiert darauf, indem es die Bakterien bekämpft und es so zu einer Entzündung kommt.

Außerdem bildet sich eine Kapsel um den Abszess aus, welche die Entzündung umschließt. Bricht ein Kieferabszess auf, können sich die Krankheitskeime weiter ausbreiten. Mögliche Ursachen eines Kieferabszesses sind zudem Bakterien, die von benachbarten Entzündungen auf den Kiefer übergehen oder über das Blut von weiter entfernten Eiterherden einschwemmen.

Symptome:

Wie äußert sich ein Kieferabszess beim Kaninchen?

Ein Kieferabszess beim Kaninchen macht sich anhand verschiedener Symptome bemerkbar. Oftmals können Sie den Abszess durch eine Schwellung bereits mit dem bloßen Auge erkennen. In einigen Fällen lässt sich der Abszess selbst nicht direkt erkennen, da er tief im Gewebe verborgen liegt oder die hinteren Backenzähne betrifft.

Eventuell bemerken Sie eine Zahnfehlstellung beim Kaninchen durch zu lange Zähne. Teilweise wirkt das Gesicht verändert, sodass es etwa durch Schwellungen auf einer Seite asymmetrisch erscheint. Oftmals speichelt das Kaninchen stark und es fällt ein unangenehmer Maulgeruch auf.

Als Symptom eines Kieferabszesses zeigt das Kaninchen Fressunlust und magert schließlich ab. Eventuell wirkt es durch Schmerzen unruhig und es knirscht mit den Zähnen. In anderen Fällen sind von einem Kieferabszess betroffene Kaninchen ungewöhnlich ruhig (Apathie) und ziehen sich zurück.

Breitet sich der Kieferabszess aus, können als weitere Symptome zum Beispiel Nasenausfluss, Tränenfluss und/oder ein vorstehendes Auge (Abszess hinter dem Auge, retrobulbärer Abszess) auftreten. Dadurch, dass die Kaninchen wenig fressen, sind als Komplikationen zusätzlich Verdauungsstörungen möglich.

Diagnose:

Wie wird ein Kieferabszess beim Kaninchen diagnostiziert?

Die Diagnose eines Kieferabszesses beim Kaninchen kann nur eine Tierärztin oder ein Tierarzt stellen. So lassen sich versteckt liegende Entzündungsherde ohne Hilfsmittel meist nicht erkennen. Zunächst erkundigt sich der Tierarzt, welche Symptome beim Kaninchen bestehen. Anschließend macht er sich bei der körperlichen Untersuchung selbst ein Bild. Er tastet unter anderem den Bauch des Tieres ab und achtet auf allgemeine Krankheitszeichen, etwa Abmagerung oder entzündete Hautregionen.

Um bei einem Kieferabszess die Diagnose stellen zu können, wirft der Tierarzt einen Blick in den Maulraum des Kaninchens. Bei länger dauernden Untersuchungen ist es oftmals sinnvoll, das Kaninchen hierfür mit einer kurzen Narkose zu betäuben.

Mit einem Kieferspreizer wird das Maul des Kaninchens offengehalten. So lassen sich auch die hinteren Backenzähne und den Rachenraum untersuchen. Neben geschwollenem, gerötetem Gewebe zeigen sich oft auch Zahnfehlstellungen, die beim Kaninchen häufig zu einem Kieferabszess führen.

Zur genauen Diagnose eines Kieferabszesses beim Kaninchen röntgt die Tierärztin bzw. der Tierarzt den Kopf des Kaninchens. Damit lassen sich zum einen tief liegende Entzündungen etwa der Zahnwurzeln erkennen, sowie ausmessen, wie tief ein Kieferabszess reicht. Oftmals reicht die Entzündung sichtbar bis in den Knochen.

Ein Röntgenbild ist außerdem für die Prognose bei einem Kieferabszess wichtig, da die Entzündung auch bis zur Augenhöhle reichen oder den Nasenraum durchbrechen kann. Wenn der Tierarzt den Abszess operiert, entnimmt er oftmals einen Abstrich, den er im Labor untersuchen lässt, und bestimmt die auslösenden Bakterien.

Behandlung:

Wie kann ein Kieferabszess beim Kaninchen behandelt werden?

Ein Kieferabszess beim Kaninchen erfordert umgehend eine tierärztliche Behandlung. Das Kaninchen erhält eine Narkose. Anschließend untersucht die Tierärztin oder der Tierarzt, wie tief der Abszess reicht und ob die Entzündung gegebenenfalls in den Knochen gedrungen ist. Danach richtet sich, welche Behandlung bei einem Kieferabszess sinnvoll ist.

Der Abszess wird aufgeschnitten, damit der Eiter aus der Abszesshöhle abfließen kann (Drainage). Dann spült und schabt der Tierarzt die verbleibende Wundhöhle gründlich aus. In die Wundhöhle legt er ein Material, das mit einem Antibiotikum durchtränkt ist. Antibiotika sind Wirkstoffe, die das Bakterienwachstum hemmen beziehungsweise Keime abtöten. Sie lassen sich zusätzlich auch als Wundsalbe und mit dem Futter verabreichen.

Sind Kieferabszesse beim Kaninchen durch entzündete Zahnwurzeln und/oder Zahnfehlstellungen entstanden, zieht die Tierärztin bzw. der Tierarzt die betroffenen Zähne. Zusätzlich zur Therapie erhält das Kaninchen gegebenenfalls Schmerzmittel und/oder eine Zwangsfütterung („Päppeln“).

Die Behandlung eines Kieferabszesses ist meist langwierig. Sie müssen Ihrem Kaninchen meist über einen längeren Zeitraum Antibiotika verabreichen und regelmäßige tierärztliche Behandlungen durchführen lassen.

In jedem Fall ist es wichtig, auf die richtige Fütterung zu achten: Kaninchen benötigen faserreiche Kost (vor allem Heu), damit sich die Zähne gleichmäßig abnutzen können. Bestimmte Präparate (Probiotika) helfen, bei einer Behandlung mit Antibiotika die Darmflora des Kaninchens zu stärken.

Prognose:

Wie ist die Prognose eines Kieferabszesses beim Kaninchen?

Die Prognose eines Kieferabszesses beim Kaninchen richtet sich danach, wie tief der Abszess sitzt und ob der Knochen betroffen ist. Generell ist bei einem Kieferabszess die Prognose eher günstig, wenn die Entzündung frühzeitig bemerkt und behandelt wird. Jedoch können sich in entzündeten Zahntaschen oder Kieferhöhlen jederzeit erneut Nahrungsbrei und damit Bakterien ansammeln – und erneut ein Abszess ausbilden. Die Behandlung eines Kieferabszesses ist meist langwierig und Rückfälle sind möglich.

Bei einem Kieferabszess hängt die Prognose außerdem davon ab, was den Abszess beim Kaninchen verursacht hat – und ob das Kaninchen behandelt wird. Wichtig ist, die Auslöser für den Abszess zu ermitteln und zu behandeln. Sind beispielsweise die Zähne zu lang, schleift die Tierärztin oder der Tierarzt sie ab und verordnet eine Futterumstellung. Bei einem Fehlwachstum wird der betroffene Zahn gezogen. Nur so lässt sich vermeiden, dass der Kieferabszess durch Zahnkrankheiten erneut auftritt.

Die Prognose ist für das Kaninchen mit einem Kieferabszess jedoch ungünstig, wenn die Entzündung tief im Gewebe sitzt, mehrere Zähne betrifft und den Knochen befallen hat. Ebenfalls sind Komplikationen möglich, wenn ein Abszess aufbricht und sich weiter ausbreitet. Dies ist der Fall, wenn sich zum Beispiel ein Augenabszess ausbildet oder die Bakterien ins Blut gelangen.

Vorbeugen:

Wie kann man einem Kieferabszess beim Kaninchen vorbeugen?

Einem Kieferabszess beim Kaninchen lässt sich zum Teil vorbeugen. Zwar sind einige Zahnfehlstellungen angeboren, doch kann die Tierärztin oder der Tierarzt diese oft ausgleichen.

So beugen Sie einem Kieferabszess bei Ihrem Kaninchen vor:

  • Bieten Sie Ihrem Kaninchen immer ausreichend hochwertiges Heu und Grünfutter. So kaut es ausreichend und nutzt seine Zähne in einem gesunden Maß ab. Sie beugen neben Kieferabszessen auch Verdauungsproblemen (z.B. Verstopfung, Magenüberladung) beim Kaninchen vor.
  • Verfüttern Sie getreidereiche Futtermischungen nur sparsam. „Leckerli“ sind meist ungesund für Kaninchen. Als Belohnung eigenen sich besser kleine Stückchen Vollkorn-Knäckebrot.
  • Nehmen Sie mit Ihrem Kaninchen die regelmäßigen tierärztlichen Kontrolluntersuchungen wahr.
  • Lassen Sie zu lange Zähne des Kaninchens immer von Ihrer Tierärztin oder Ihrem Tierarzt abschleifen. Wer dies selbst ausprobiert, riskiert Zahnschäden, Verletzungen und Entzündungen beim Kaninchen.
  • Stärken Sie die Abwehrkraft Ihres Kaninchens! Eine gesunde Ernährung ist ebenso wichtig wie eine ausreichende Hygiene und viel Auslauf. Wenn möglich, bieten Sie Ihrem Kaninchen auch die Möglichkeit für Freilauf.

Wann zum Tierarzt?

Muss ein Kaninchen mit einem Kieferabszess zum Tierarzt?

Vermuten Sie einen Kieferabszess bei Ihrem Kaninchen, ist umgehend ein Besuch in der Tierarzt-Praxis erforderlich. Als Tierhalterin oder Tierhalter kann man Kieferabszesse meist nicht direkt erkennen. Achten Sie auf Veränderungen wie Fressunlust beim Kaninchen, starkes Speicheln und Maulgeruch.

Zögern Sie nicht lange, mit dem Kaninchen eine Praxis aufzusuchen. Früh erkannt, lassen sich Kieferabszesse beim Kaninchen meist noch gut behandeln – so beugen Sie möglichen Komplikationen vor.

Weiterhin ist es wichtig, Zahnprobleme und Zahnkrankheiten beim Kaninchen, wie Fehlstellungen oder zu lange Zähne, immer tierärztlich behandeln zu lassen, um einen Kieferabszess zu vermeiden. Auch sind Tierärztinnen und Tierärzte bei Fragen zur Ernährung Ihres Kaninchens die richtigen Ansprechpartner.

Weiterführende Informationen

Autor: Dipl.-Biol. Birgit Hertwig
Tierärztliche Qualitätssicherung: Dr. med. vet. Iris Kiesewetter
Datum der letzten Aktualisierung: Januar 2022
Quellen:
Fossum, T.: Chirurgie der Kleintiere. Urban & Fischer, München 2020
Ewringmann, A.: Leitsymptome beim Kaninchen. Enke Verlag, 2016

Gabriel, S.: Praxisbuch Zahnmedizin beim Heimtier, Enke 2016
Gabrisch, K.; Zwart, P.: Krankheiten der Heimtiere. Schlütersche, Hannover 2014

Wegler, M.: Kaninchen im Außengehege. Gräfe & Unzer Verlag, München 2008