Definition:
Was ist eine Anämie (Blutarmut) beim Kaninchen?
Bei einer Anämie ist die Anzahl der roten Blutkörperchen (Erythrozyten) im Blut des Kaninchens erniedrigt – es liegt eine Blutarmut vor.
Die Anämie diagnostiziert die Tierärztin oder der Tierarzt anhand des sogenannten Hämatokrit-Werts. Der Hämatokrit-Wert gibt den Volumenanteil im Blut an, der aus Zellen besteht. Sind weniger rote Blutzellen im Blut, so sinkt der Volumenanteil der Zellen.
Eine Anämie lässt sich auch anhand des Hämoglobin-Werts feststellen. Hämoglobin ist der rote Blutfarbstoff: Er kommt in den roten Blutkörperchen vor und dient dem Transport von Sauerstoff im Blut. Eine Anämie hat somit zur Folge, dass der Körper des Kaninchens nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt wird.
Ursachen:
Was sind die Ursachen einer Anämie (Blutarmut) beim Kaninchen?
Eine Anämie beim Kaninchen hat verschiedene Ursachen. Kennzeichnend ist, dass zu wenige rote Blutzellen (Erythrozyten) im Blut sind. Diese werden im Knochenmark gebildet. Aus den Vorläuferzellen der Erythrozyten entwickelt sich eine junge rote Blutzelle (Retikulozyt) und wird ins Blut abgegeben. Eine Anämie kann dadurch zustande kommen, dass diese Bildung gestört ist.
Bei Kaninchen kann es auch durch eine Nierenerkrankung zu einer Blutarmut kommen. In der Niere wird das Hormon Erythropoetin hergestellt: Dieses löst im Knochenmark die Bildung von neuen Erythrozyten aus. Wird bei einer Nierenerkrankung zu wenig Erythropoetin gebildet, wird die Blutbildung herabgesetzt und das Kaninchen entwickelt eine Anämie (sog. renale Anämie).
Andere mögliche Ursachen für eine Anämie sind hohe Blutverluste, wie sie beispielsweise bei einem Unfall durch Blutungen verursacht werden oder durch einen sehr starken Parasitenbefall. Hauskaninchen leiden seltener unter blutsaugenden Parasiten, aber Wildkaninchen können so stark mit europäischen Kaninchenflöhen befallen sein, dass sie eine Anämie entwickeln.
Auch Tumoren, übermäßige Infusionen oder schwere Bakterien- oder Virus-Erkrankungen rufen manchmal eine Anämie beim Kaninchen hervor.
Symptome:
Wie äußert sich eine Anämie (Blutarmut) beim Kaninchen?
Bei einer Anämie versorgen die verbleibenden roten Blutzellen die Organe und Gewebe nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff. Dadurch reagiert der Körper des Kaninchens zunächst mit einer höheren Herzfrequenz, um dieser Sauerstoff-Unterversorgung entgegenzuwirken: Der Puls des Kaninchens rast.
Das Kaninchen atmet schneller und seine Schleimhäute sind blass. Anämische Kaninchen bewegen sich weniger, da sie sich nicht mehr körperlich belasten können. Bei einer starken Blutarmut kann das Kaninchen einen Kreislaufkollaps entwickeln, es atmet schwer, liegt auf dem Bauch oder der Seite und kann versterben.
Entwickelt sich eine Anämie langsam, fällt oft auf, dass das Kaninchen abnimmt und schwächer wirkt.
Diagnose:
Wie wird eine Anämie beim Kaninchen diagnostiziert?
Die Tierärztin oder der Tierarzt stellt die Diagnose der Anämie anhand einer Blutuntersuchung. Dabei ist die Blutarmut selbst keine Erkrankung: Sie ist vielmehr ein Zeichen dafür, dass etwas anderes im Körper des Kaninchens nicht stimmt.
Bei einem Kaninchen mit starker Anämie fällt möglicherweise auf, dass das Tier geschwächt, untergewichtig oder apathisch wirkt. Daher wird es zunächst gründlich untersucht. Mit dem Stethoskop hört die Tierärztin bzw. der Tierarzt die Lunge und das Herz ab und stellt fest, ob Atmung und Herzschlag beschleunigt sind.
Um zu überprüfen, was hinter diesen Symptomen steckt, nimmt der Tierarzt eine Blutprobe. Meist entnimmt er das Blut aus einer Vene am Hinterbein (Vena saphena lateralis). Im Labor wird das Blut auf verschiedene Werte überprüft, darunter auch die Zahl der roten Blutkörperchen (Erythrozyten), der Hämoglobin- und der Hämatokrit-Wert:
- Hämatokrit steht für den Anteil der Blutzellen am Volumen des Blutes.
- Hämoglobin bezeichnet den roten Blutfarbstoff, der dafür zuständig ist, Sauerstoff an die roten Erythrozyten zu binden. Diese transportieren den Sauerstoff im gesunden Körper von der Lunge in jede einzelne Körperzelle. Das „Abfallprodukt“ Kohlendioxid wiederum befördern die Erythrozyten zurück zur Lunge, wo es abgeatmet wird.
Wenn die Erythrozyten, der Hämatokrit und das Hämoglobin vermindert sind, lautet die Diagnose “Anämie”. Je nachdem, welche Ursache der Anämie zugrunde liegt, sind die Werte unterschiedlich stark erniedrigt.
Therapie:
Wie kann eine Anämie beim Kaninchen behandelt werden?
Eine Anämie beim Kaninchen ist ein Zeichen dafür, dass das Tier Blut verliert, rote Blutkörperchen zerstört werden oder dass Probleme im Bereich der Blutbildung bestehen. Die Therapie hängt also von der Ursache der Anämie ab.
In manchen Fällen geht sie auf einen ständigen Blutverlust zurück – zum Beispiel durch eine innere oder äußere Verletzung. In dem Fall wird die Tierärztin oder der Tierarzt versuchen, die Blutung schnellstmöglich zu stoppen.
Aber auch wenn das Tier stark von blutsaugenden Parasiten wie Kaninchenflöhen befallen ist, kann es – insbesondere bei Jungtieren – zu einer Anämie kommen, ebenso durch Würmer beim Kaninchen. Dann richtet sich die Therapie direkt gegen die Parasiten.
Auch eine chronische Nierenerkrankung kann eine Anämie beim Kaninchen verursachen. Im Blutbild fallen dann erhöhte Nierenwerte und veränderte Blutsalze (Elektrolyte) auf. Betroffene Tiere magern oft stark ab, trinken mehr (Polydipsie) und urinieren häufiger (Polyurie). Die Tierärztin bzw. der Tierarzt behandelt dann die Nierenerkrankung, je nach Ursache zum Beispiel mit Antibiotika oder Infusionen.
Manchmal sind schwere bakterielle oder virale Erkrankungen, welche die inneren Organe angreifen, Ursache der Anämie beim Kaninchen. Auch hier ist vor allem eine Therapie der Grunderkrankung (gegen Bakterien z.B. mit Antibiotika) wichtig.
Prognose:
Wie ist die Prognose einer Anämie beim Kaninchen?
Die Prognose hängt davon ab, welche Ursache die Anämie beim Kaninchen hat. Ein Blutverlust oder ein Parasitenbefall, der sich leicht beheben lässt, hat in der Regel eine gute Prognose.
Hängt die Anämie allerdings mit einem chronischen Nierenversagen zusammen, wird das Kaninchen normalerweise nicht mehr ganz gesund und die Tierärztin oder der Tierarzt kann nur versuchen, es mit Infusionen und Medikamenten vorerst zu stabilisieren.
Selbiges gilt, wenn zum Beispiel ein Tumor das Knochenmark des Kaninchens angreift und so zu einer Anämie führt.
Vorbeugen:
Wie kann man einer Anämie beim Kaninchen vorbeugen?
Eine Anämie beim Kaninchen ist ein Symptom, dem sich nur bedingt vorbeugen lässt. Einerseits ist es wichtig, Verletzungen und Parasiten zu vermeiden, zum Beispiel mit sorgfältiger Stallhygiene und einer gesunden Kaninchenernährung.
Eine chronische Nierenschwäche beim Kaninchen geht meistens auf eine Infektion mit dem Erreger Encephalitozoon cuniculi zurück. Dies sind einzellige Parasiten, die sich in den Zellen des Kaninchens – häufig im zentralen Nervensystem oder in den Nieren – ansiedeln. In den meisten Fällen bleibt eine Infektion ohne Symptome.
Sobald die Abwehr des Kaninchens allerdings geschwächt ist, zum Beispiel durch Stress oder Haltungsfehler, kann die Krankheit ausbrechen – auch Jahre später. Die Encephalitozoonose äußert sich mit Symptomen wie Kopfschiefhaltung oder einer Nierenschwäche. Der Erreger lässt sich ursächlich mit einem Antiparasitenmittel bekämpfen.
Bei Kaninchen, bei denen eine Infektion mit Encephalitozoon cuniculi nachgewiesen ist, hat sich eine Fütterung mit hohem Flüssigkeitsanteil als förderlich erwiesen: Vor allem viel Gurke, Salat und anderes Frischfutter helfen dabei, die Nieren regelmäßig „durchzuspülen“ und hindert den Parasiten daran, sich hier auszubreiten.
Wann zum Tierarzt:
Muss ein Kaninchen mit Anämie zum Tierarzt?
Wenn Ihnen auffällt, dass Ihr Kaninchen Gewicht verliert, apathisch oder geschwächt wirkt, suchen Sie auf jeden Fall eine Tierärztin oder einen Tierarzt auf. Dahinter können diverse Erkrankungen stecken – auch solche, die mit einer Anämie einhergehen. Je früher die genaue Diagnose steht, desto besser und effizienter kann das Kaninchen behandelt werden.
Weiterführende Informationen
Autor: Dr. med. vet. Iris Kiesewetter; Christina Trappe, B.A.
Tierärztliche Qualitätssicherung: Pascale Huber
Datum der letzten Aktualisierung: Januar 2022
Quellen:
Baumgärtner, W. Gruber, A.D.: Spezielle Pathologie für die Tiermedizin. Thieme 2020
Ewringmann, A.: Leitsymptome beim Kaninchen. Enke, Stuttgart 2016
Gabrisch, K., Zwart, P.: Krankheiten der Heimtiere. Schlütersche, Hannover 2014
Zinke, J.: Ganzheitliche Behandlung von Kaninchen und Meerschweinchen: Anatomie, Pathologie, Praxiserfahrungen. Thieme, Stuttgart 2004