Krankengymnastik (Physiotherapie) bei Tieren

Krankengymnastik (Physiotherapie) bei Tieren

Hund im Wasserlaufbecken
Das Aquatraining ist eine Form der Krankengymnastik bei Tieren. Foto: vetproduction

Definition:

Was ist Krankengymnastik (Physiotherapie) bei Tieren?

Krankengymnastik oder Physiotherapie bei Tieren ist ein Verfahren, mit dem gesundheitliche Beschwerden und Schädigungen behandelt werden. Dies erfolgt durch passive – also zum Beispiel von einer Tier-Physiotherapeutin oder einem Tier-Physiotherapeuten geführte – oder aktive Bewegungen, sowie durch die Anwendung bestimmter Reize (z.B. Wärme, Kälte). Außerdem unterstützt Krankengymnastik bei Tieren die allgemeine Leistungsfähigkeit.

Die physiotherapeutischen Methoden wurden aus der Humanmedizin übernommen. Dort kommt Krankengymnastik zum Einsatz, um körperliche Fähigkeiten wiederherzustellen, vor allem bei Erkrankungen des Bewegungsapparats und des Nervensystems.

Insbesondere nach Operationen ermöglicht Krankengymnastik es den Tieren, sich möglichst rasch wieder normal zu bewegen. Physiotherapie bei Tieren wird außerdem eingesetzt, um chronische Schmerzen zu lindern und um die Durchblutung zu fördern.

Es gibt verschiedene Verfahren der Physiotherapie bei Tieren, zum Beispiel:

  • Wärme- bzw. Kälteanwendungen
  • Wassertherapie
  • Elektrotherapie
  • Massagen
  • Passive und aktive Bewegungstherapien

Durchführung:

Wie wird die Krankengymnastik bei Tieren durchgeführt?

Wie die Krankengymnastik bei Tieren durchgeführt wird, hängt vom angewandten Verfahren ab:

Bei der Kältetherapie (Kryotherapie) bedeckt der Tier-Physiotherapeut die zu behandelnde Stelle zunächst, zum Beispiel mit einem Handtuch. Dies schützt die Haut vor Erfrierungen. Darauf legt er einen Eisbeutel, ein Cool-Pack oder Ähnliches und befestigt ihn mit einem Verband.

Achtung: Wird Pfefferminzöl direkt auf die Haut aufgetragen, wirkt es ebenfalls kühlend. Es ist allerdings nicht ratsam, Tiere und vor allem Katzen mit Pfefferminzöl zu behandeln, da sie auf viele ätherische Öle überempfindlich reagieren!

Eine Wärmebehandlung mit einem Hot-Pack oder einer Wärmeflasche wird in der Physiotherapie ebenso durchgeführt wie die Kryotherapie. Eine weitere Möglichkeit der Wärmebehandlung ist die Bestrahlung mit Rotlicht oder warme Bäder.

Eine weitere häufig angewandte Technik in der Krankengymnastik bei Tieren ist die Bewegungstherapie. Ziel der passiven Bewegungstherapie ist es, die Beweglichkeit eines Gelenks zu erhalten oder zu verbessern. Dazu bewegt der Tier-Physiotherapeut das Gelenk so weit, wie es für das Tier schmerzfrei möglich ist, indem er es beugt und streckt. Er achtet darauf, dass das Tier während der gesamten Behandlung keine Schmerzen hat. Im Anschluss daran dehnt er das umliegende Gewebe. Allerdings kann die passive Bewegungstherapie die aktive (also vom Tier selbst durchgeführte) Bewegung nicht ersetzen und nicht verhindern, dass sich die Muskulatur abbaut.

Die aktive Bewegungstherapie basiert darauf, das Tier dazu zu bringen, bestimmte Bewegungen selbstständig auszuführen und damit bestimmte Muskeln gezielt zu trainieren oder ein bestimmtes Gelenk zu bewegen. Zu Beginn führt der Tier-Physiotherapeut oder der Tierbesitzer die Bewegung in einer sogenannten aktiv-assistierten Bewegungstherapie. Dadurch lernt das Tier den Bewegungsablauf kennen, sodass es ihn nach kurzer Zeit auch alleine ausführt. Die Bewegungstherapie kann durch verschiedene Hilfsmittel unterstützt werden, zum Beispiel mit Wackelbrettern, Gymnastikbällen, Bewegungsbändern oder Gewichten.

Bei der Elektrotherapie befestigt der Tier-Physiotherapeut Elektroden mit Klettbändern auf der Haut über dem Muskel des Tieres, der trainiert werden soll. Zwischen der Elektrode und der Haut befinden sich feuchte Schwämmchen oder Mullauflagen, um Verätzungen der Haut zu vermeiden. Leichte Stromimpulse regen die Muskulatur dazu an, sich zusammenzuziehen. Die elektrischen Impulse spürt das Tier zwar, sie sind aber nicht unangenehm oder schmerzhaft. Je nach Anwendungsgebiet dauert die Behandlung zwischen 10 und 45 Minuten.

Die Wasser- oder Hydrotherapie kann in einem See oder einem Schwimmbecken durchgeführt werden. Eine Variante der Hydrotherapie ist das Aquatraining, bei der das Tier auf einem Unterwasser-Laufband trainiert. Je höher der Wasserstand ist, desto leichter sind die Bewegungen. Der Tier-Physiotherapeut kann die Belastung erhöhen, indem er weniger Wasser in das Becken einlässt. In manchen Schwimmbecken gibt es auch Gegenstrom-Anlagen, die den Kraftaufwand zusätzlich erhöhen. Insbesondere Hunde werden häufig mit Schwimmwesten oder Gurten im Therapiebecken gesichert.

Anwendungsgebiete:

Wann wird die Krankengymnastik bei Tieren angewandt?

Krankengymnastik wird bei Tieren in vielen Bereichen angewandt. Sie ist generell für alle Großtiere und Kleintiere geeignet, wird in der Praxis aber vor allem bei Hunden, Katzen und Pferden durchgeführt.

So ist die Physiotherapie unter anderem hilfreich bei Erkrankungen des Nervensystems und des Bewegungsapparats wie Arthrose (Gelenkverschleiß). Sie zählt zu den konservativen (nicht-operativen) Behandlungsmöglichkeiten und trägt nach Operationen dazu bei, dass sich ein Tier möglichst rasch wieder normal bewegen kann.

Stark geschwächte Tiere, die zum Beispiel unter einer Krebserkrankung leiden, können sich im Rahmen der Krankengymnastik kontrolliert bewegen. Die Tiere fühlen sich dadurch wohler und der allgemeine Gesundheitszustand bessert sich oft. 

Bei übergewichtigen Tieren ist die Physiotherapie eine Möglichkeit, das Gewicht zu verringern. Sport- und Arbeitstiere wie Rennhunde oder Rennpferde steigern ihre Leistungsfähigkeit. Ein weiteres Anwendungsgebiet der Krankengymnastik ist die Verbesserung der Beziehung zwischen Tier und Tierbesitzer.

Für verschiedene Anwendungsgebiete sind jeweils unterschiedliche Verfahren der Physiotherapie geeignet. Eine Kältebehandlung (Kryotherapie) bei Tieren wirkt zum Beispiel gut gegen Schmerzen sowie bei Verletzungen. Wärmebehandlungen helfen dagegen bei chronischen Erkrankungen des Bewegungsapparats, solange keine Entzündung vorliegt. Die passive Bewegungstherapie sorgt dafür, dass Gelenke des Tieres beweglich bleiben.

Außerdem setzt die Tier-Physiotherapeutin oder der Tier-Physiotherapeut die Krankengymnastik manchmal ein, um das Gelenk zu lockern und für weitere physiotherapeutische Übungen vorzubereiten. Die aktiv-assistierte und die aktive Bewegungstherapie fördern die Beziehung zwischen Tier und Tierbesitzer, steigern die Leistungsfähigkeit, Beweglichkeit, Lust an der Bewegung, kräftigen die Muskulatur und sorgen für Muskelaufbau.

Um zu verhindern, dass sich die Muskeln des Tieres abbauen, etwa wenn ein Bein längere Zeit nicht belastet werden darf, kann die Muskulatur auch durch leichten Strom angeregt werden. Diese Form der Krankengymnastik, die sogenannte Elektrotherapie, kann aktive Übungen aber nicht dauerhaft ersetzen.

Die Elektrotherapie wird außerdem angewandt, um Schmerzen zu lindern und die Durchblutung zu fördern. Die Wasser- oder Hydrotherapie kann die Muskelkraft, Ausdauer und Beweglichkeit verbessern. Außerdem ist sie eine gute Möglichkeit, nach Verletzungen oder Operationen wieder damit zu beginnen, ein Gelenk zu belasten. Der Auftrieb im Wasser sorgt dafür, dass nur ein geringer Anteil des eigenen Körpergewichts auf die Muskeln und Gelenke einwirkt. Die Bewegungen des Tieres sind dadurch einfacher und schmerzfrei.

Risiken und Komplikationen:

Welche Risiken birgt Krankengymnastik bei Tieren?

Die Risiken und möglichen Komplikationen der Krankengymnastik bei Tieren hängen von der angewandten Methode ab.

Bei der Kältebehandlung (Kryotherapie) können Erfrierungen auftreten, wenn die Haut nicht ausreichend geschützt wird oder die Behandlung zu lange dauert. Bei Tieren, die empfindlich auf Kälte reagieren, ist eine Kältebehandlung nicht empfehlenswert. Auch bei Tieren mit Metallimplantaten darf die Kryotherapie nur sehr vorsichtig eingesetzt werden.

Eine Wärmebehandlung darf bei Entzündungen, Herzerkrankungen und Infektionskrankheiten sowie bei Durchblutungsstörungen des Tieres nicht angewandt werden. Außerdem sind Verbrennungen möglich, wenn die Haut nicht abgedeckt wird oder die Wärme zu lange wirkt. Für Tiere mit Kreislaufbeschwerden ist die Wärmebehandlung ebenfalls nicht geeignet.

Die Elektrotherapie darf nicht bei Tieren mit Herzschrittmacher oder Anfallsleiden (Epilepsie) durchgeführt werden. Der Tier-Physiotherapeut wählt die Stelle, an der er die Elektroden anbringt, sehr sorgfältig: Die Haut sollte nicht verletzt oder gereizt sein. Über Geschwüren darf die Elektrotherapie nicht angewandt werden.

Die Wassertherapie ist für Tiere mit ansteckenden Hauterkrankungen, offenen Wunden, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Infektionskrankheiten nicht geeignet.

Weiterführende Informationen

Autor: M. Sc. Nadja Graßmeier, Ernährungswissenschaftlerin
Tierärztliche Qualitätssicherung: Dr. med. vet. Michael Koch
Datum der letzten Aktualisierung: Oktober 2021
Quellen:
Pschyrembel: Klinisches Wörterbuch Online. De Gruyter (Abruf: Oktober 2021)
Maddison, J. et al: Vom Symptom zur Diagnose in der Kleintierpraxis. Thieme 2016
Kohn, B. et al.: Praktikum der Hundeklinik. Enke Stuttgart 2017

Alexander, C.-M. (Hrsg.): Physikalische Therapie für Kleintiere. Parey, Stuttgart 2004