Worauf Tierärzte vor dem Schritt in die Selbstständigkeit achten sollten

Worauf Tierärzte vor dem Schritt in die Selbstständigkeit achten sollten

Sie sind Tierärztin oder Tierarzt und träumen davon, sich selbstständig zu machen?
Tierarztpraxis
Viele Tierärztinnen und Tierärzte möchten eine eigene Praxis gründen. Es gibt aber noch andere Möglichkeiten, um sich selbstständig zu machen. Foto: vetproduction

Der Traum von der eigenen Praxis

Sie sind Tierärztin oder Tierarzt und träumen davon, sich mit Ihrer eigenen Praxis selbstständig zu machen? Sie möchten Ihre eigene Chefin bzw. Ihr eigener eigener Chef werden? Das ist eine tolle Entscheidung, aber überlegen Sie sich vorher genau, auf was Sie sich einlassen.

Denn eine eigene Praxis ist nicht nur eine finanzielle Belastung, sie erfordert auch großes persönliches Engagement, Organisationsgeschick und Kompetenzen in kaufmännischen Disziplinen und Personalführung.

Der Lohn der Mühen ist, dass Sie sich die Ausrichtung der Praxis nach eigenen Wünschen gestalten und alle wichtigen Entscheidungen selbst treffen können.

Berufserfahrung und Qualifikationen sammeln

Üblicherweise sammeln Tierärztinnen und Tierärzte nach der Approbation erst mehrere Jahre lang in verschiedenen Kliniken und Praxen Berufserfahrung in diversen Spezialgebieten, bevor sie sich selbstständig machen.

Von Vorteil ist es, wenn Sie sich in dieser Zeit in einem Fachtierarzt-Bereich fortbilden oder eine Zusatzqualifikation erwerben. Übliche Ausrichtungen sind zum Beispiel der Fachtierarzt für Kleintiere oder der Fachtierarzt für Pferde. Oder eine Weiterbildung beispielsweise in Reptilien/Amphibien, Physikalischer Therapie, Verhaltenstherapie oder Akupunktur.

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Lieber gemeinsam statt einsam?

Der Klassiker unter den verschiedenen Formen der Selbstständigkeit ist eine eigene Praxis. In diesem Fall tragen Sie alleine die komplette Verantwortung, ebenso wie das finanzielle Risiko. Die Arbeitsbelastung kann, besonders in der Anfangszeit, sehr hoch ausfallen. Ein mehrwöchiger Urlaub oder eine spontane Fortbildung sind meist unmöglich, da die Patientenbesitzerinnen und Patientenbesitzer sich darauf verlassen, das Sie für sie da sind.

Nacht- und Wochenend-Dienste stehen deshalb auf der Tagesordnung. Zudem binden Sie sich längerfristig an einen Ort. Wenn Sie eine Partnerin oder einen Partner haben, gehen Sie daher sicher, dass sie oder er Ihr Vorhaben voll unterstützt und Verständnis dafür hat, dass die eigene Praxis besonders in der Anfangszeit Vorrang hat. Wer den Schritt zur eigenen Praxis wagt, wird dafür mit der Entscheidungshoheit und Gestaltungsfreiheit in allen Belangen belohnt: Sie sind Ihr eigener Chef und arbeiten nur für sich und Ihre eigene Kundschaft.

Eine Alternative zur eigenen Praxis ist eine Gemeinschafts- oder Gruppenpraxis. Hier verteilt sich die Last der Verantwortung auf mehrere Schultern:

  • Die Gemeinschaftspraxis stellt eine Form der Berufsausübungsgemeinschaft dar, bei der die beteiligten Partner beziehungsweise Praxen ihre rechtliche Selbstständigkeit aufgeben und die Gemeinschaftspraxis als wirtschaftliche und rechtliche Einheit auftritt.
  • Bei der Gruppenpraxis handelt es sich dagegen lediglich um einen lockeren Zusammenschluss rechtlich unabhängiger Tierärztinnen und Tierärzte, die Synergieeffekte durch die gemeinsame Nutzung von Räumlichkeiten, Geräten oder Personal nutzen wollen.

Weiterhin besteht die Möglichkeit, als freiberuflicher Spezialist in mehreren Praxen zu arbeiten. Für die Praxen ist dies eine interessante Chance, um ihr Angebotsspektrum beispielsweise um eine kardiologische Sprechstunde zu erweitern. Als Externer haben Sie dort feste Arbeitszeiten und ein klar definiertes Arbeitspensum, was insbesondere für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf von großem Wert ist.

Gute Planung ist die halbe Miete

Wer sich für eine eigene Praxis entscheidet, muss nicht gleich eine komplette Neugründung wagen, denn Sie können auch in eine bereits bestehende Praxis einsteigen oder diese übernehmen, zum Beispiel wenn der Vorbesitzer aus Alters- oder Gesundheitsgründen seine Praxis aufgeben möchte. Die Vorteile liegen auf der Hand: Eine fertig eingerichtete Praxis, ein eingespieltes Team und ein fester Kundenstamm. Doch was, wenn man lieber seinen eigenen Weg gehen möchte?

Wer eine komplette Neugründung anstrebt, sollte sich vorher gründlich informieren. Existenzgründer-Seminare sind hier von hohem Nutzen, ebenso wie die Dienste zahlreicher Consulting-Firmen. Einer der wichtigsten Punkte vor der Neugründung ist eine Standort-Analyse, in der zentrale Fragen geklärt werden sollten, beispielsweise:

  • Welcher Bedarf an tierärztlichen Leistungen besteht in dieser Region?
  • Welches Angebot existiert bereits?
  • Wie ist die vorhandene Infrastruktur?
  • Sind ausreichend Parkplätze vorhanden und ist der potenzielle Standort gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen?
  • Welche Anforderungen an Lage, Größe, Ausstattung und Aufteilung müssen die Räumlichkeiten erfüllen?

Wie finanziere ich die Praxis?

Machen Sie sich außerdem sich Gedanken über die Finanzierung. Gespräche mit der Bank Ihres Vertrauens gehören ebenso dazu wie ein valider Businessplan. Versicherungen wie eine Berufshaftpflicht-, Berufsunfähigkeits-, Unfall-, Inventar- und Rechtsschutzversicherung sind notwendig, um sich gegen existenzielle Risiken abzusichern.

Außerdem ist es empfehlenswert, von den vielen Fördermöglichkeiten für Existenzgründer Gebrauch zu machen. Hierzu gehören beispielsweise der Gründungszuschuss der Bundesagentur für Arbeit, der Zuschuss der Bundesländer für Beratungskosten oder die Förderdarlehen der KfW Bankengruppe.

Außerdem müssen Sie als Praxisgründer die Niederlassung bei diversen Behörden anzeigen – wenn Sie in der tierärztlichen Hausapotheke Betäubungsmittel verwenden, gehört auch eine Anzeige bei der Bundesopiumstelle des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) dazu.

Praxis-Management: Mehr als nur lästiger Papierkrieg

Vermutlich werden Sie auch nicht alleine in der Praxis arbeiten wollen, sondern benötigen beispielsweise Unterstützung durch eine oder mehrere tiermedizinische Fachangestellte, später kommen vielleicht noch Assistenztierärzte und/oder Auszubildende hinzu. Die hohe Kunst der Mitarbeiterführung ist jedoch etwas, das Sie nur selten im Studium lernen.

Wer nicht ein entsprechendes Führungskräfte-Seminar besuchen möchte, sollte zumindest einen Blick in einschlägige Ratgeber werfen, um gut für Themen wie Betriebsklima, Umgangsformen, Mitarbeiter-Motivation, Konfliktmanagement, Gesprächsführung, Personalauswahl und Führungsstil gewappnet zu sein.

Neben der Tatsache, dass Sie plötzlich für Angestellte verantwortlich sind, kommen bei einer eigenen Praxis auch noch kaufmännische Verpflichtungen hinzu. Das Thema Buchhaltung ist zwar bei den meisten Existenzgründern unbeliebt, leider aber dringend notwendig, denn für Selbstständige ist die Buchführung Pflicht.

Moderne Buchhaltungs-Software kann Ihnen das Leben deutlich erleichtern. Viele Hersteller bieten passende Komplettlösungen an, die alle wichtigen Bausteine zu den Themen Buchhaltung, Lohn und Gehalt, Aufträge und Rechnungen, Warenwirtschaft sowie Urlaubs- und Fehlzeitenverwaltung enthalten.

Das Sammeln und Abheften von Lieferscheinen, Rechnungen, Überweisungsbelegen und Bankauszügen kann Ihnen aber auch das schönste Programm nicht abnehmen. Um sich das Leben ein wenig einfacher zu machen, kann es zudem sinnvoll sein, einen Steuerberater zu engagieren. Ein Rechtsanwalt hilft außerdem beim Aufsetzen und Prüfen von Verträgen.

Weiterführende Informationen

Autor: Dr. Annukka Aho-Ritter
Tierärztliche Qualitätssicherung: Dr. Philipp A. Zimmermann
Datum der letzten Aktualisierung: Januar 2022
Quellen:
Agentur für Arbeit, Finanzielle Hilfen für Existenzgründer: http://www.arbeitsagentur.de/ (Abruf: Januar 2022)
Ministerium für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk des Landes NRW, Startercenter: http://www.startercenter.nrw.de (Abruf: Januar 2022)
Kayser-Passmann, D. & Knäble, M.: Die Tierarztpraxis – Gründen mit Erfolg. Schlütersche, Hannover 2011
Reuter, H.-J. & Thiele, S.: Die gesunde Tierarztpraxis: Mitarbeiterführung und Motivation. Georg Thieme, Stuttgart 2011