Häufige Notfälle und Erste Hilfe beim Kaninchen

Häufige Notfälle und Erste Hilfe beim Kaninchen

Kaninchen
Kaninchen leiden meist still. Foto: Pixabay.com

Kaninchen leiden still. Aus diesem Grund bemerken Kaninchenhalter Krankheiten häufig erst in einem fortgeschrittenen Stadium. Je nach Krankheit und Zustand des Kaninchens handelt es sich dann um einen akuten Notfall. Erhalten Sie hier einen Überblick über einige häufige Notfälle bei Kaninchen und wie Sie Erste Hilfe leisten können.

Kaninchen sind Beutetiere und in freier Wildbahn ständig der Gefahr ausgesetzt, von einem Fressfeind entdeckt zu werden. Instinktiv verbergen sie daher Schmerzen und Leiden, wenn sie verletzt oder krank sind. Das hat zum Nachteil, dass viele Krankheiten beim Kaninchen häufig erst in einem fortgeschrittenen Krankheitsstadium erkannt werden.

Der Zustand des Kaninchens kann zu diesem Zeitpunkt bereits so schlecht sein, dass es sich um einen akuten Notfall handelt und ein schnelles Eingreifen erforderlich ist. Aus diesem Grund möchten wir Ihnen nachfolgend einige häufige Notfälle beim Kaninchen vorstellen, und erläutern, welche Erste-Hilfe-Maßnahmen im jeweiligen Fall zu ergreifen sind. 

Befall mit Fliegenmaden (Myiasis)

Während der warmen Sommermonate steigt die Gefahr, dass Gold- und Schmeißfliegen ihre Eier in Wunden oder auf die Haut von Kaninchen legen und so zu einem Fliegenmadenbefall (Myiasis) führen. Die Fliegen legen ihre Eier bevorzugt auf kotkontaminiertes Fell (z.B. im Bereich rund um After und Genitalien). Begünstigt wird die Fliegenmadenkrankheit, wenn sich das Kaninchen nicht gründlich putzen kann (z.B. Übergewicht, Lähmungen), unter Durchfall leidet oder draußen gehalten wird. Betroffene Kaninchen wirken teilnahmslos und verlieren den Appetit.

Die Maden ernähren sich von abgestorbenen Hautzellen und Gewebe des Kaninchens und sorgen so für Verletzungen in der Haut. Zumeist tummeln sich kleine, weiße Maden massenhaft an einer oder mehreren Stellen und sorgen dort für nässende Entzündungen. Anfangs werden die Wunden noch von Fell bedeckt, der Befall somit häufig erst im fortgeschrittenen Verlauf bemerkt.

Das sollten Sie jetzt tun: Bei einem Fliegenmadenbefall muss das Kaninchen umgehend einer Tierärztin oder einem Tierarzt vorgestellt werden. Zwar können Sie die Maden beispielsweise mit einer Pinzette entfernen, darüber hinaus bedarf es aber einer zusätzlichen medikamentösen tierärztlichen Behandlung.

Der Tierarzt wird das Fell des Kaninchens scheren und sowohl von sichtbaren Maden wie auch Eiern befreien. Darüber hinaus verabreicht er ein Medikament, das die Maden abtötet (z. B. mit dem Wirkstoff Ivermectin). Die weitere Behandlung richtet sich nach dem Zustand des Kaninchens und der Schwere des Befalls. Hier kommen zum Beispiel Schmerzmittel, Antibiotika und Infusionen zum Einsatz. In schweren Fällen kann darüber hinaus auch eine operative Versorgung der Wunden erfolgen.

Um einem erneuten Madenbefall vorzubeugen, ist es wichtig, herauszufinden, welchen Auslöser die Myiasis gehabt hat, und diesen (z.B. eine Durchfallerkrankung) zu behandeln. Auch das Anbringen eines Fliegengitters am Stall ist sinnvoll.

Hitzschlag beim Kaninchen

Anders als Menschen, können Kaninchen nicht schwitzen, um ihre Körpertemperatur zu regulieren. Bereits Außentemperaturen über 25° Celsius sind für die hitzeempfindlichen Tiere gefährlich. Zum Vergleich: Die optimale Umgebungstemperatur beträgt für Kaninchen etwa 18° Celsius. Die Gefahr eines Hitzschlags besteht daher insbesondere während der warmen Sommermonate.

Erleidet das Kaninchen einen Hitzschlag, macht sich dies durch folgende Symptome bemerkbar:

  • Starke Erregung oder Teilnahmslosigkeit
  • Beschleunigte Herzfrequenz und/oder Atmung
  • Bewusstlosigkeit
  • Schockzustand
  • Zittern

Das sollten Sie jetzt tun: Bei einem Hitzschlag befindet sich das Kaninchen in akuter Lebensgefahr. Bringen Sie das Kaninchen als Erste-Hilfe-Maßnahmen umgehend an einen kühleren Ort und kühlen Sie es beispielsweise durch das Auflegen nasser (nicht eiskalter!) Tücher.

Sobald Sie die Körpertemperatur des Kaninchens etwas runtergekühlt haben, muss es zur weiteren Behandlung umgehend zu einer Tierärztin oder einem Tierarzt gebracht werden. Bitte achten Sie darauf, dass Sie das Tier nicht in einem aufgeheizten Auto transportieren und kühlen Sie es auch während der Fahrt weiterhin mit nassen Tüchern.

Magendilatation beim Kaninchen

Nimmt das Kaninchen weniger Futter zu sich als gewohnt oder verweigert dieses ganz, kann das auf eine ernsthafte Erkrankung hindeuten. Die Fressunlust ist beispielsweise Begleiterscheinung einer krankhaften Magenerweiterung (Magendilatation) beim Kaninchen. Diese entsteht, wenn der Transport des Magen- und Darminhalts durch den Verdauungstrakt gestört ist. Häufig wird eine Magendilatation durch einen Verschluss (Obstruktion) im oberen Abschnitt des Dünndarms verursacht und entsteht beispielsweise aufgrund der Ansammlung verschluckter Haare oder anderer Fremdkörper.

Aber auch Tumore, Abszesse oder Nahrungsbestandteile, wie Samen des Johannisbrotbaums, Hülsenfrüchte oder getrocknete Maiskörner können zu einem Verschluss des Darms beim Kaninchen führen. Dadurch kommt der Weitertransport des Nahrungsbreis durch den Verdauungstrakt zum Erliegen. Das kann zur Folge haben, dass sich der Magen des Nagers nicht entleeren kann. Auch wenn das Kaninchen zu diesem Zeitpunkt keine Nahrung mehr aufnimmt, dehnt sich der Magen zum Beispiel durch das Abschlucken von Speichel, Gasbildung oder die Produktion von Verdauungssäften immer weiter aus.

Für das betroffene Tier ist diese Ausdehnung nicht nur äußerst schmerzhaft, sondern führt im schlimmsten Fall sogar zu einem Durchbruch des Magens. Im Gegensatz zu vielen anderen Tierarten können Kaninchen nämlich nicht erbrechen. Anzeichen einer Magendilatation sind eine verminderte Futteraufnahme oder vollkommene Futterverweigerung.

Weitere Symptome der Magendilatation können sein:

  • Zähneknirschen
  • Teilnahmslosigkeit
  • Atemnot
  • Blasse Schleimhäute
  • Untertemperatur
  • Großer, praller Bauch

Das sollten Sie jetzt tun: Bei einer Magendilatation ist ein Notfall beim Kaninchen, des es besteht potenzielle Lebensgefahr. Das Tier muss daher umgehend von einer Tierärztin oder einem Tierarzt behandelt werden. Der Tierarzt wird als Erste-Hilfe-Maßnahme versuchen, den Kreislauf des Kaninchens zu stabilisieren und den Magen zu entlasten.

Dazu kommen zum Beispiel Schmerzmittel und Medikamente, die den Weitertransport des Nahrungsbreis fördern, zum Einsatz. Auch ein operativer Eingriff kann notwendig sein. Die Prognose richtet sich nicht zuletzt nach der Ursache der Magendilatation.

Atemnot beim Kaninchen

Kaninchen sind obligate Nasenatmer und atmen unter normalen Umständen ausschließlich durch die Nase. Maulatmung lässt sich nur in akuten Notfällen beobachten. Atemnot ist daher immer ein ernstzunehmendes Symptom, das auf einer Reihe verschiedener Ursachen zurückgeführt werden kann.

Neben Erkrankungen der Atemwege (z.B. Kaninchenschnupfen) können unter anderem diese Ursachen zur Atemnot beim Kaninchen führen:

  • Schmerzen
  • Hitzschlag
  • Schock
  • Herzerkrankungen
  • Tumorerkrankungen

Maulatmung und aufgeblähte Nasenflügel sind Hinweise auf eine Atemnot. Aufgrund der verminderten Sauerstoffversorgung kann die Schleimhaut (z.B. Maulschleimhaut) eine bläuliche Farbe annehmen (sog. Zyanose).

Das sollten Sie jetzt tun: Atemnot beim Kaninchen stellt einen akuten Notfall dar und bedarf einer umgehenden tierärztlichen Behandlung. Eine Tierärztin oder ein Tierarzt kann dem Kaninchen nicht nur Sauerstoff, sondern auch kreislaufstabilisierende Medikamente verabreichen. Der Tierarzt wird darüber hinaus auch nach der Ursache der Atemnot suchen, und diese nach Möglichkeit beheben.

Kaninchen sind sehr anfällig für Stress. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass Sie dem Kaninchen unnötigen Stress ersparen (z.B. beim Transport) und möglichst ruhig und behutsam mit ihm umgehen.

Weiterführende Informationen

Autorin: Dr. vet. Freya Fuchs
Datum der letzten Aktualisierung: November 2021
Quellen:
Warrlich, A.: Handbuch Kaninchen. Kosmos, Stuttgart 2020
Lumpp, L.: Hilfe, ein Notfall! – Dyspnoemanagement beim Kaninchen. kleintier konkret 2019; 22(S 02): 17-27
Schneider, B. et al.: Verhaltensberatung bei kleinen Heimtieren. Schattauer, Stuttgart 2017
Bundesverband der Veterinärmedizinstudierenden Deutschland e.V.: FAQ – Berufseinstieg Kleintierpraxis. Enke, Stuttgart 2016
Ewringmann, A.: Leitsymptome beim Kaninchen. Enke, Stuttgart 2016
Geissler, C.: Der Tierarzt rät – Erste Hilfe beim Kaninchen. Books on Demand, Norderstedt 2015
Drescher, B.: Magenüberladung beim Kaninchen. kleintier konkret 2014; 17(S 02): 12-16
Fehr, M. et al.: Krankheiten der Heimtiere. Schlütersche, Hannover 2014
Geissler, C.: Der Tierarzt rät – 101 Fragen und Antworten zu Kaninchenkrankheiten Band 1. Geebooks, Hamburg 2012
Kübler, H.: Kaninchen natürlich behandeln: Homöopathie, Schüßler-Salze und Bach Blüten. Extra: Erste Hilfe für Kaninchen. Gräfe Und Unzer, München 2012