Orthopädische Untersuchung bei Tieren

Orthopädische Untersuchung bei Tieren

Wenn das Tier lahmt, nicht laufen kann oder steif geht, steht eine orthopädische Untersuchung an.
Hund beim Tierarzt
Die Tierärztin untersucht den Bewegungsapparat des Tieres. Foto: vetproduction

Definition:

Was ist eine orthopädische Untersuchung bei Tieren?

Unter einer orthopädischen Untersuchung bei Tieren versteht man eine eingehende Untersuchung des Bewegungsapparats. Zum Bewegungsapparat gehören Muskeln, Bänder, Gelenke und Knochen.

Die Tierärztin oder der Tierarzt nimmt eine orthopädische Untersuchung vor, wenn das Tier bestimmte Beschwerden zeigt, die auf eine Erkrankung des Bewegungsapparats hindeuten. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn das Tier lahmt, humpelt, nicht laufen kann oder steif geht.

Bei der orthopädischen Untersuchung beobachtet der Tierarzt, wie das Tier läuft und tastet die Beine und den Rücken ab. So kann er herausfinden, welche Körperbereiche des Tieres möglicherweise geschädigt sind.

Durchführung:

Wie wird eine orthopädische Untersuchung bei Tieren durchgeführt?

Eine orthopädische Untersuchung bei Tieren gliedert sich in mehrere Schritte.

Zunächst stellt die Tierärztin bzw. der Tierarzt dem Tierhalter einige Fragen. Informationen über das Alter, die Rasse und mögliche Beschwerden des Tieres geben viele Hinweise, was dem Tier fehlen könnte. Um herauszufinden, ob möglicherweise eine erbliche Erkrankung vorliegt, wird auch erfragt, ob bestimmte Krankheiten in der Familie des Tieres bekannt sind.

An der Art und Weise, wie das Tier läuft und sich bewegt, lässt sich erkennen, wo das orthopädische Problem liegt. Ein Hund muss hierfür zum Beispiel an der Leine im Schritt und Trab vorlaufen, Katzen bewegen sich frei im Untersuchungsraum. Pferde werden im Schritt und Trab auf einem harten Untergrund vorgeführt; bei leichten Veränderungen können sie in der Halle vorgeführt werden. Hierbei achtet der Tierarzt darauf, ob das Pferd alle vier Beine gleichmäßig belastet, auf die Haltung von Rücken, Kopf und Schwanz, ob das Pferd lahmt und wie es sich allgemein bewegt.

Die Tierärztin bzw. der Tierarzt beurteilt bei der orthopädischen Untersuchung außerdem die sogenannte Haltung und Stellung des Tieres. Seine Haltung kann das Tier willentlich verändern. Entlastet der Hund beispielsweise aufgrund von Schmerzen ein Bein, so ändert er dadurch seine Haltung. Die Stellung hingegen kann das Tier nicht willentlich verändern, sie beschreibt seinen Körperbau. Fehlstellungen, zum Beispiel X-Beinigkeit oder O-Beinigkeit, können zu Abnutzungserscheinungen wie Gelenkverschleiß (Arthrose) bei Tieren führen.

Nicht direkt erkennbare Lahmheiten des Tieres lassen sich bei der orthopädischen Untersuchung durch eine stärkere Belastung leichter erkennen oder provozieren, als durch das Gehen in Sand, enge Wendungen oder Treppensteigen. Bei Pferden spielen zusätzliche Provokationsproben eine große Rolle bei der orthopädischen Untersuchung. So beugt der Tierarzt eine Gliedmaße über eine Minute und schaut sich das Gangbild nach dieser starken Manipulation erneut an (Beugeprobe).

Im nächsten Schritt der orthopädischen Untersuchung tastet der Tierarzt den Körper und die einzelnen Gliedmaßen des Tieres ab (Palpation). Hierbei achtet er auf Schwellungen, Entzündungen, Schmerzen und Knochenbrüche. Ein direkter Vergleich der betroffenen und der gesunden Seite helfen hierbei, die schmerzende Stelle ausfindig zu machen. Dann tastet der Tierarzt die einzelnen Zehen, Ballen und das gesamte Bein des Tieres ab. Dabei begutachtet er die Muskeln und Bänder und streckt und beugt die Gelenke, um ihre Beweglichkeit zu beurteilen.

Am Ellbogengelenk gibt es Druckpunkte, auf die der Hund sensibel reagiert, wenn dort eine Fehlstellung (sog. Ellbogengelenk-Dysplasie) vorliegt. Am Kniegelenk achten Tierärztinnen und Tierärzte besonders auf die Stabilität. Bei einem gerissenen Kreuzband, welches den Oberschenkel-Knochen mit den Unterschenkel-Knochen verbindet, ist das Gelenk stärker in sich beweglich. Dies lässt durch den sogenannten Schubladen-Test und den Tibia-Kompressionstest überprüfen. Hierbei greift der Tierarzt an das Kniegelenk des Tieres und versucht, den Unterschenkel-Knochen nach vorne zu schieben.

Ob die Kniescheibe ausreichend fest ist, lässt sich bei der orthopädischen Untersuchung durch sanften Druck prüfen. Eine gesunde Kniescheibe ist in ihrer Lage nicht stark veränderbar, während der Tierarzt eine bewegliche Kniescheibe aus ihrer Position bringen kann. So stellt er ebenfalls fest, ob sie eventuell nicht mehr richtig gelagert ist. Diese sogenannte Patellaluxation ist vor allem bei kleineren Hunderassen häufiger vertreten und kann Schmerzen hervorrufen.

Beim Pferd gehört zur orthopädischen Untersuchung außerdem die sogenannte diagnostische Leitungsanästhesie. Die Tierärztin oder der Tierarzt spritzt dem Pferd hierzu nacheinander an verschiedene Stellen ein örtliches Betäubungsmittel, welches den Schmerz nimmt, und lässt das Pferd jedes Mal wieder vorführen. Bessert sich die Lahmheit nach der Injektion, kann der geschädigte Bereich des Bewegungsapparats näher eingegrenzt werden.

Anwendungsgebiete:

Wann wird eine orthopädische Untersuchung bei Tieren durchgeführt?

Eine orthopädische Untersuchung bei Tieren wird durchgeführt, wenn das Tier bestimmte Beschwerden zeigt, die auf eine Erkrankung des Bewegungsapparats – das heißt von Muskeln, Sehnen oder Knochen – hindeuten. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn das Tier lahmt, humpelt, steif geht oder nicht laufen, sich bewegen oder nur schwerfällig aufstehen kann.

Häufig werden orthopädische Erkrankungen bei Tieren durch Unfälle verursacht. Stauchungen, Prellungen, Brüche, Bänderrisse oder Verrenkungen oder Auskugelungen von Gelenken (Luxationen) sind mögliche Folge. Bei älteren Tieren sind altersbedingte orthopädische Erkrankungen häufiger. Hierzu zählen der Gelenkverschleiß (Arthrose) und daraus entstehende Gelenkentzündungen (Arthritis).

Risiken und Komplikationen:

Welche Risiken birgt eine orthopädische Untersuchung bei Tieren?

Eine orthopädische Untersuchung bei Tieren birgt normalerweise keine Risiken. Um herauszufinden, welcher Teil des Bewegungsapparats betroffen ist, muss die Tierärztin oder der Tierarzt Untersuchungen durchführen, die für das Tier schmerzhaft sein können. Wenn der Tierarzt behutsam und vorsichtig untersucht, werden die Schmerzen aber so gering wie möglich gehalten. Bleibende Schäden, die durch die orthopädische Untersuchung selbst entstehen, sind nicht zu erwarten.

Weiterführende Informationen

Autor: Dr. med. vet. Iris Kiesewetter
Datum der letzten Aktualisierung: November 2021
Quellen:
Meyer-Lindenberg, A.: Vorlesungsunterlagen Klinische Propädeutik Kleintiere: Orthopädische Untersuchung. Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover (Abruf: November 2021)
Stadler, P.: Vorlesungsunterlagen Klinische Propädeutik Pferd: Propädeutik bei orthopädischen Erkrankungen des Pferdes. Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover (Abruf: November 2021)
Baumgartner, W.: Klinische Propädeutik der Haus- und Heimtiere. Enke, Stuttgart 2017