Schmerztherapie bei Tieren

Schmerztherapie bei Tieren

Spritze
Es gilt als wissenschaftlich erwiesen, dass Tiere ebenso Schmerzen empfinden wie der Mensch. Daher ist eine angemessene Behandlung mit Schmerzmedikamenten sinnvoll. Foto: vetproduction

Definition:

Was ist eine Schmerztherapie bei Tieren?

Es gilt als wissenschaftlich erwiesen, dass Tiere ebenso Schmerzen empfinden wie der Mensch. Um das Wohlbefinden des Tieres zu gewährleisten, benötigt jedes Tier, das unter Schmerzen leidet, eine angemessene Schmerzbehandlung.

Schmerzen sind nicht nur unangenehm, sie haben auch weitere negative Folgen: Die Wunden heilen schlechter, das Immunsystem ist geschwächt, das Tier ist weniger aktiv und baut Muskeln ab, die Durchblutung ist gestört, das Tier frisst weniger und fühlt sich unwohl. In jedem Fall dauert die Heilung länger, wenn das Tier unter Schmerzen leidet.

Tierärztinnen und Tierärzte ergreifen deshalb verschiedene Maßnahmen, um die Schmerzen des Tieres zu lindern – sie werden unter dem Begriff Schmerztherapie zusammengefasst. Schmerzen bei Tieren werden nicht nur allein mit Schmerzmedikamenten behandelt, sondern mit zusätzlichen Methoden wie Physiotherapie, Ruhighaltung und Akupunktur sowie weiteren Alternativverfahren wie der Neuraltherapie und der Goldimplantation.

Durchführung:

Wie wird eine Schmerztherapie bei Tieren durchgeführt?

Es gibt viele verschiedene Ursachen für Schmerzen bei Tieren. So kann das Tier sich beispielsweise verletzen oder es ist operiert worden. Die Tierärztin oder der Tierarzt berücksichtigt zunächst die Schmerzursache und unterscheidet dementsprechend akute (seit kurzem auftretend) von chronischen Schmerzen (länger andauernd). Akute Schmerzen bei Tieren entstehen oft nach Verletzungen, chronische Schmerzen beispielsweise bei Arthrose (Gelenkverschleiß).

Im nächsten Schritt beurteilt die Tierärztin bzw. der Tierarzt die Stärke des Schmerzes. Dies gestaltet sich häufig schwieriger als beim Menschen, da die Tiere oftmals versuchen, ihre Schmerzen zu verstecken. Gerade Beutetiere (wie Kaninchen oder Meerschweinchen) oder Vögel versuchen, ihre Schwäche so lange es geht zu verbergen, um für angreifende Tiere nicht aufzufallen. Jede Form von abweichendem Verhalten kann prinzipiell ein Zeichen von Schmerz beim Tier sein.

Typische Schmerzanzeichen sind Speicheln, die Tiere belecken sich, entlasten schmerzende Gliedmaßen, halten den Körper verändert oder sind angespannt. Auch chronische Schmerzen beim Tier fallen oft nicht direkt auf. So bewegen sich Hunde mit Arthrose schmerzbedingt nach und nach immer weniger. So kann es passieren, dass man diese schleichenden Schmerzen mit einer normalen Alterserscheinung verwechselt.

Entsprechend der Ursache und der Stärke wählt die Tierärztin oder der Tierarzt die passende Schmerztherapie für das Tier aus. Schmerzmittel bilden den Grundbestandteil der Schmerzbehandlung. Häufig werden Medikamente im Zusammenhang mit einer Operation ein (perioperative Schmerzbehandlung) eingesetzt. Bereits vor und während der Operation verabreicht der Tierarzt ein Schmerzmittel, damit Schmerzen wenn möglich erst gar nicht entstehen. Wenn das Tier Schmerzen hat, bildet sich ein „Schmerzgedächtnis“ aus – der Körper produziert mehr Rezeptoren, die den Schmerz wahrnehmen. Somit wenden die Tierärztinnen und Tierärzte vorbeugend (präventiv) Schmerzmittel an, bevor der Schmerz erst entsteht.

Tritt ein Schmerz beim Tier immer wieder oder lange auf, so ist seine Intensität stärker und die Schmerzmittel wirken nicht mehr so effektiv. Typische Schmerzmedikamente, die vor und während einer Narkose zur Anwendung kommen, sind sogenannte Opioide (z.B. Levomethadon, Buprenophin, Fentanyl) und a2-Agonisten (Xylazin, oft in Kombination mit Ketamin). Vor und nach der Operation kann der Tierarzt das Gebiet örtlich betäuben (Lokalanästhesie). Er setzt hierbei Injektionen an die Stellen, die er operiert, beispielsweise an der Haut oder an den Nerven der Gliedmaßen. Dadurch empfindet das Tier in diesem Bereich während der Operation keine Schmerzen – es kommt nicht zur Ausbildung des Schmerzgedächtnisses.

Je nachdem, wie stark der Eingriff war, verabreicht der Tierarzt über einen bestimmten Zeitraum Schmerzmittel, häufig handelt es sich um Nicht Steroidale Antiphlogistika (NSAID, NSAIR) wie Carprofen oder Meloxicam. Auch Metamizol, welches zur Gruppe der Pyrazolon-Derivate gehört, ist ein gängiges Schmerzmittel bei Tieren. Teilweise erhält das Tier mehrere Schmerzmittel gleichzeitig. Bei schmerzhaften Operationswunden behandelt der Tierarzt noch einige Tage nach der Operation mit Opioiden, während bei kleineren Eingriffen, wie beispielsweise Kastrationen, meist NSAID ausreichen.

Tierärztinnen und Tierärzte setzen häufig Schmerzmittel bei Tieren ein, die unter Erkrankungen der Knochen oder Gelenke leiden; man spricht von „orthopädischem Schmerz“. Hierbei unterscheidet man zwischen akuten Verletzungen (z.B. Verstauchungen) und chronischen Erkrankungen (z.B. Arthrose). In beiden Fällen ist das Mittel der Wahl ein sogenanntes NSAID (engl. nonsteroidal antiinflammatory drug). Bei akuten Schmerzen wirken die NSAID entzündungshemmend und schmerzlindernd. Ziel der Schmerztherapie ist, dass das Tier sich möglichst schnell wieder bewegt.

Bei chronischen Schmerzen bei Tieren ist das Grundprinzip das Gleiche: Das Schmerzmittel (meist ein NSAID) lindert die Schmerzen und hemmt die Entzündung. Dies ist die Voraussetzung dafür, dass das Tier dem „Teufelskreis des Schmerzes“ entkommt: Aufgrund der Schmerzen bewegt sich das Tier weniger, dadurch verliert es Muskeln. Muskeln wiederum unterstützen und schonen die Gelenke. Zusätzlich nimmt das Tier bei Bewegungsmangel an Gewicht zu. Der Muskelverlust und die Gewichtszunahme belasten seine Gelenke und Knochen, und der Zustand des Tieres verschlimmert sich weiter. Um diesen Kreis zu durchbrechen, verabreicht die Tierärztin bzw. der Tierarzt Schmerzmittel.

Die Schmerztherapie bei chronischen Schmerzen dauert zu Beginn etwa vier bis zwölf Wochen, um einen Therapieerfolg sicher beurteilen zu können. Wenn die Symptome des Tieres deutlich besser sind, wird die Dosis der Schmerzmittel verringert. Die Grunderkrankung ist bei chronischen Schmerzen meist nicht heilbar, daher ist es oftmals notwendig, dass das Tier die Schmerzmittel lebenslang erhält.

Mit Schmerzmedikamenten allein wird das Tier bei chronischen Schmerzen oftmals nicht beschwerdefrei. Der Tierarzt arbeitet daher mit einer sogenannten multimodalen Schmerztherapie. Das bedeutet, dass er die Gabe der Schmerzmittel mit weiteren Maßnahmen kombiniert – bei Arthrose-Schmerzen beispielsweise können Physiotherapie, Ergänzungs-Futtermittel, sogenannte Slow acting drugs in osteoarthritis (SADOA) wie Glukosaminosulfat, sowie eine Gewichtsabnahme schmerzlindernd wirken.

Neben der medikamentösen Behandlung von Schmerzen gibt es viele weitere Methoden, die zur Schmerzbekämpfung eingesetzt werden. Hierzu zähen beispielsweise die Akupunktur, Goldimplantation, Homöopathie und Neuraltherapie. Zum Teil liegen jedoch keine wissenschaftlichen Beweise über ihre Wirksamkeit vor.

Anwendungsgebiete:

Wann wird eine Schmerztherapie bei Tieren angewandt?

Tierärztinnen und Tierärzte setzen eine Schmerztherapie bei allen Zuständen ein, die dem Tier Schmerzen bereiten. Hierzu zählen beispielsweise:

  • Operationsschmerzen bei Tieren
  • Verletzungen und Unfälle bei Tieren
  • Bauchschmerzen bei Tieren
  • Zahnschmerzen bei Tieren
  • Ohrenschmerzen bei Tieren
  • Augenschmerzen bei Tieren
  • Tumorschmerzen bei Tieren
  • Bandscheibenvorfall bei Tieren

Risiken und Komplikationen:

Welche Risiken birgt eine Schmerztherapie bei Tieren?

Die im Rahmen einer Schmerztherapie bei Tieren eingesetzten Schmerzmittel haben, wie alle Medikamente, auch Nebenwirkungen. Tierärztinnen und Tierärzte benutzen Schmerzmittel aus der Gruppe der Opioide, wenn das Tier unter starken Schmerzen leidet. Sie wirken sich deutlich auf das Bewusstsein des Tieres aus, wirken beruhigend (sedierend) und beeinflussen das Herz-Kreislauf-System. Eine Dauertherapie mit Opioiden kann allerdings zur Abhängigkeit des Tieres führen.

Schmerzmittel aus der Gruppe der NSAID haben Auswirkungen auf den Magen-Darm-Trakt des Tieres. Sie vermindern die Bildung von Magenschleim, sodass sich schneller ein Magengeschwür bilden kann. Besonders in Kombination mit Kortison, welches ähnliche Wirkungen auf die Magenschleimhaut hat, ist Vorsicht geboten. Außerdem vermindern NSAID die Nierendurchblutung.

Das Schmerzmedikament Metamizol hat kaum Nebenwirkungen auf dem Magen-Darm-Trakt, es ist aber nur sehr kurz wirksam (etwa vier bis sechs Stunden). Metamizol kann als Nebenwirkung zu Veränderungen des Blutbilds beim Tier führen.

Die Tierärztin bzw. der Tierarzt setzt örtliche Betäubungsmittel (Lokalanästhetika, wie Lidocain) ein, um eine bestimmte Körperstelle des Tieres zu betäuben und so vom Schmerz zu befreien. In der gängigen Dosierung treten selten Nebenwirkungen auf. Komplikationen entstehen durch höhere Konzentration oder wenn das Lokalanästhetikum in den Blutkreislauf des Tieres gelangt. Dann können Störungen des Herz-Kreislauf-Systems, der Atmung und des Zentralen Nervensystems (Gehirn und Rückenmark) auftreten.

Weiterführende Informationen

Autor: Dr. med. vet. Iris Kiesewetter
Datum der letzten Aktualisierung: Oktober 2021
Quellen:
Initiative tiermedizinische Schmerztherapie: Empfehlungen für die Schmerztherapie bei Kleintieren. www.i-tis.de (Abruf: Oktober 2021)
Kaspar, M.: Ganzheitliche Schmerztherapie für Hund und Katze. Sonntag Verlag, Stuttgart 2011
Tack, S.: CVE Kleintier, Orthopädische Schmerztherapie in der Kleintiermedizin. Veterinär Verlag, Gnarrenburg 2009
Auer, M.: Skriptum Anästhesie, Veterinärmedizinische Universität Wien, Klinik für Anästhesiologie und perioperative Intensivmedizin. Wien, 2005