Das Geheimnis der besonderen Beziehung von Mensch und Hund

Das Geheimnis der besonderen Beziehung von Mensch und Hund

Der Hund ist der beste Freund des Menschen. Die Wissenschaft hat das lang bezweifelt.
Mensch und Hund (Foto: Pixabay.com)
Eine innige Beziehung: Mensch und Hund. Foto: Pixabay.com

Für viele Hundefreunde ist es glasklar: Der Hund ist der beste Freund des Menschen. Die Wissenschaft hat das lang bezweifelt. Es sei eine Vermenschlichung des Tieres, eine Verklärung einzelner Erfahrungen oder vielleicht schlicht Wunschdenken, die solchen Einschätzungen zu Grunde lägen.

Und wie sieht eigentlich der Hund selbst das Ganze? Moderne Techniken lassen uns genauer hinschauen und zu objektivierbaren Ergebnissen kommen. So kann man etwa Hormonspiegel, etwa vom “Bindungshormon” Oxytocin, messen, die mit bestimmten Gefühlsregungen korrelieren.

Unter der Annahme der evolutionären Kontinuität darf man zunächst einmal davon ausgehen, dass die Grundfunktionen des Nervensystems von Hund und Mensch gleich sind. Aber sind sie es wirklich? Mit bildgebenden Verfahren, etwa einem Magnet-Resonanz-Tomografen, kann dem Gehirn bei der Arbeit zuschauen. Solche Messungen des Gehirns hat man zuletzt wiederholt durchgeführt.

Das soziale Gehirn von Hund und Mensch tickt ähnlich

Die Ergebnisse sind recht eindeutig. Wenn wir den eigenen Hund anschauen, werden dieselben Regionen unseres Gehirns aktiv, wie wenn wir einen menschlichen Freund anschauen. Das wurde 2016 durch Messungen am California Institute of Technology ein weiteres Mal bestätigt. Ähnlich im Hundegehirn: Hier werden exakt dieselben Regionen wie beim Menschen aktiv.

Gregory Berns in den USA und Adam Miklósi in Ungarn konnten das in verschiedenen Studien zeigen. Sie trainierten Hunde so, dass sie bei der Lösung ihrer Aufgaben absolut ruhig und mit Gehörschutz im heute noch sehr laut arbeitenden Tomografen liegen bleiben und man so ihr Gehirn bei der Arbeit beobachten kann. Die Ähnlichkeiten in der Funktion der sozialen Gehirnzentren zwischen Hund und Mensch erwiesen sich als verblüffend.

Es gibt noch einige weitere Studien, die solche Ergebnisse zeigen. Es ist daher legitim, davon auszugehen, dass Hund und Mensch ähnlich fühlen.

Wie sieht das der Hund?

Wenn wir gestresst von einem Arbeitstag nach Hause kommen, vielleicht noch im Stau gestanden und die Hälfte des Einkaufs vergessen haben – egal, unser Hund freut sich tierisch. Doch ist es nur menschlich, ihm damit Freude über uns als Person oder gar Freund zu unterstellen? Oder freut er sich nur, schlicht weil, wie jeden Tag, 20 Minuten später der Futternapf gefüllt sein wird? Darauf kommen wir am Schluss dieses Beitrags zurück.

Der Neurophysiologe Giacomo Rizzolatti entdeckte 1992 die Spiegelneurone. Diese Nervenzellen sorgen dafür, dass dieselben Teile unseres Gehirns aktiviert werden, wenn wir eine Tätigkeit nur beobachten anstatt sie selber auszuführen. Wir brauchen nur zu sehen, wie jemand in eine Zitrone beißt, schon zieht es uns selbst den Mund zusammen. Lachen und Gähnen sind Verhaltensweisen, die hierfür besonders anfällig sind.

Japanische Forscher haben nachgewiesen, dass dies auch zwischen Hund und Mensch gelingt. So fangen Hunde bereits an zu gähnen, wenn sie einen gähnenden Menschen gezielt im Fernseher anschauen. Dies wirkt umso ansteckender, je vertrauter diese Person ist; auch hier ist bei Mensch wie Hund derselbe Effekt zu beobachten, innerhalb der eigenen Spezies, aber auch untereinander.

Forscherinnen wie Teresa Romero werten das als Hinweis auf die Fähigkeit des Hundes, sich gefühlsmäßig in einen ihm nahestehenden Menschen hineinzuversetzen, also Empathie zu entwickeln.

Steinzeitmensch und Wölfe: soziale Jäger

Wenn man sich die Lebensweise von Wölfen genauer anschaut, so wundern solche Fähigkeiten nicht. Wölfe sind hochsoziale Beutegreifer, die als Gruppe Großwild wie den Bison jagen. Sie arbeiten bei der Jagd in genau abgestimmten Rollen. Jeder muss die Arbeit der Gruppe im Kopf haben und seine eigene darauf flexibel je nach Lage einstellen. Von der Gruppe werden die Jungen großgezogen, ja sogar kranke Exemplare mitversorgt. Nur als Gruppe können die Wölfe überleben.

Das erfordert Empathie und auch ein in den anderen Hineindenken, oder eine „Theory of Mind“ (TOM), wie es Wissenschaftler nennen. Da ticken die Menschen nicht viel anders. In der Altsteinzeit lebten und jagten unsere Vorfahren exakt wie die Wölfe auch. Sie jagten im gleichen Gebiet dasselbe Wild mit denselben kollektiven Methoden. Nur verfügten die Wölfe über sehr viel mehr Erfahrung mit der Jagd auf das Großwild der Kaltsteppen und insbesondere über die besseren Sinne.

Der Mensch, der als Greenhorn vor 40.000 Jahre dazu stieß, hatte allerdings die höhere Intelligenz, enorme Anpassungsfähigkeit und später auch die besseren Waffen. Auf der Pirsch, beim Jagen, an der Beute und am Aas müssen sich Mensch und Wolf immer wieder in die Quere gekommen sein. Sie müssen sich bestens gekannt haben. Vielleicht haben sich Traditionen der Zusammenarbeit entwickelt, die sie es heute noch etwa bei Wölfen und Raben gibt. Jedenfalls sind Wolf und Mensch zusammengekommen und so der Hund entstanden.

Weniger Stress als Schlüssel

Der Wolf hat sich aus eigenen Stücken zum Hund domestiziert. Für ihn wurde das soziale Gefüge des Menschen, dessen Regeln und Gewohnheiten, zum eigenen. Das ist bei keinem anderen Tier so. Aus neurobiologischer Sicht ist hierzu das Thema Stress elementar. Die Wölfe verloren nach und nach ihre wildtierhafte Scheu gegenüber dem Menschen. Ihre Stressachse verschob sich in Richtung höhere Stresstoleranz. Damit öffnete sich die Fähigkeit, als Spezies die soziale Bindung zu einer anderen, überlegenen Spezies einzugehen.

Dasselbe entwickelte sich beim Menschen auch. Durch den sozialen Kontakt zum Hund, aber ebenso durch dessen Nutzen als Wächter und Beschützer, als Helfer bei der Jagd und Zugtier bei den Wanderungen konnten die Menschen der Altsteinzeit ihren Stresslevel senken. Das bedeutete mehr Muße für technische und kulturelle Innovationen. Ein niedrigeres Stressniveau schafft Platz für mehr Toleranz. Das bedeutete insbesondere eine Steigerung der sozialen Kompetenz, der Fähigkeit, in größeren Gruppen zu leben, Handel und kulturellen Austausch zu betreiben.

Gemeinsamer Kampf ums Überleben

Mensch und Hund gehen seit dieser frühen Zeit gemeinsam durchs Leben. Sie standen bereits 20.000 Jahre im gemeinsamen Kampf ums Überleben Seite an Seite, als die ersten Kulturen der Menschheit sesshaft wurden. Wahrscheinlich wäre die Domestikation der ersten Ziegen und Schafe ohne die Hilfe des Hundes kaum gelungen.

Der Hund half bei den Rahmenbedingungen für die Herausbildung des Privateigentums an Häusern, Lagern, Werkstätten. Er bewachte das Privateigentum und arbeitete für den Menschen in dutzenden von Funktionen über tausende Jahre hinweg. Er schaffte es, sich in seine Arbeitsaufgabe hineinzuversetzen und diese selbständig und zugleich flexibel für und mit den Menschen umzusetzen. Kein Tier versteht die Kommunikation des Menschen besser als der Hund. Unsere nonverbale Kommunikation versteht er zuweilen besser als wir selber.

Die epochale Dauer dieser engen und auf Gegenseitigkeit beruhenden Beziehung zweier Spezies, insbesondere aber deren soziale, stressmindernde Qualität, machen das Geheimnis der besonderen Beziehung von Mensch und Hund. Auch heute noch macht sich der Hund als Sozialpartner des Menschen nützlich. Die enge Bindung zeigt ihre Wirkung in der tiergestützten Therapie, steigert den Lernerfolg von Studierenden, bringt uns Wohlbefinden und soziale Wärme.

Der Hund ist wirklich unser bester Freund. Er freut sich wirklich über unsere Ankunft zu Hause, über uns als Sozialpartner. Wir Menschen als der Seniorpartner in dieser Beziehung behandeln ihn heute nur selten wirklich als Freund – individuell schon, jedoch nicht als Gesellschaft.

Weiterführende Informationen

Autor: Christoph Jung, Diplom-Psychologe
Datum der letzten Aktualisierung: November 2021
Quellen:
Jung, C.: http://www.christoph-jung.com/ (Abruf: November 2021)
The domestication from the wolf to the dog is based on coevolution. Dog Behavior Vol 2, No 3 (2016) DOI: http://dx.doi.org/10.4454/db.v2i3.4
Jun, C. et al.: Tierisch beste Freunde: Mensch und Hund – von Streicheln, Stress und Oxytocin. Schattauer, Stuttgart 2015